Interview mit Doris Leonhardt, Jan Günther und Christoph Mussenbrock, alle wohnhaft im Prinz-Eugen-Park.
Der AK Selbstverwaltung ist nach dem Einzug die zentrale Schaltstelle, die sich um die Pflege des Projekts kümmert. Doris, Jan und Christoph wurden von Felizitas Mussenbrock-Strauß eingeladen, aus dem Nähkästchen des AK’s zu erzählen.
Könnt Ihr Euch erinnern, wann der AK Selbstverwaltung gegründet wurde?
Jan: Ich hatte tatsächlich schon frühzeitig angemerkt, dass wir nicht zu spät starten sollten. Das wurde dann zunächst ein bisschen nach hinten geschoben und als nicht so wichtig erachtet.
Doris: Genau – Jan hatte schon Ende 2017 die Idee gehabt. Da er keine Lust hatte, das allein zu machen, was ja auch verständlich ist, suchte er Mit-streiter. Da hab ich gesagt, ich will mitmachen. Wir haben uns das 1. Mal in meiner Wohnung getroffen.

Christoph: Das Thema Selbstverwaltung haben wir vor dem Einzug mehrfach angesprochen. Zunächst war das große Rätselraten: „Ja, was müssen wir überhaupt machen? Welche Arbeiten stehen an?“ Dann kamen zunächst nur vage Antworten: „Ja, wahrscheinlich muss man sich um den Müll kümmern. Wahrscheinlich muss man die Wege kehren, die Hecken schneiden und den Rasen mähen.“ Wir wussten nicht genau, wieviel und was genau wann anfangen, z. B. Rasen – ist der dann überhaupt schon da? Wir hatten damals das Gefühl, dass wir noch nicht viel machen können, weil wir es einfach noch nicht wussten. Doris sprang dann aber gleich mit rein. Sie war gerade erst Mitglied geworden und schon in zwei Arbeits-kreisen aktiv.
Und wer war beim 1. Treffen dabei? Und was habt ihr da gemacht?
Jan: Außer Doris und mir waren da noch Christoph, Moritz Weidler und Elmar Kretzer.
Doris: Zu Beginn haben wir uns überlegt, was wir alles so machen können. Wir haben eine Art Masterliste in confluence eingestellt, in der alle Auf-gaben in Gruppen zusammengefasst aufgeführt waren, die unter dem Jahr anfallen. Und am Schluss stand ein Grill-Event! Dazu haben wir dann Folien erstellt und unsere Vorschläge der Einteilungsliste in der Baugruppe vor-gestellt. Dort haben wir abgestimmt. Einige waren dagegen, aber die meisten wollten das so machen. Darauf haben wir eine Meldung geschickt, dass sich jede(r) eintragen soll.
Uns war wichtig, dass es keine Blockwarte geben soll. Denn unser Ziel war immer, dass sich die Selbstverwaltung möglichst autark organisiert und wir einfach mal probieren, nach dem Motto ‚learning by doing‘.
Christoph: Ich hab gerade mal nachgeschaut – man sieht in den Protokollen, dass Doris und Elmar im Vorfeld sehr intensive und detaillierte Vorarbeiten in Form einer ausgeklügelten Excel-Tabelle mit farbigen Markierungen, Zuordnungen und Funktionen erstellt haben. Wir hatten auch bereits zentrale Aussagen festgehalten bezüglich Verein und Selbstverwaltung: Verein und Selbstverwaltung sind zwei verschiedene Dinge. Der Verein ist im Wesentlichen für die Gemeinschaftsräume zuständig, die Selbst-verwaltung betrifft das ganze Gelände bzw. diverse Arbeiten für die Genossenschaft.
Jan: Der AK Selbstverwaltung war dann im Baugruppentreffen am 08.06.2018 das erste Mal Thema. Es war bald klar, dass es einerseits Arbeiten gibt, die dauernd gemacht werden müssen, und dass es andererseits Arbeiten gibt, die ein-/zweimal im Jahr im Rahmen eines Ramadama erledigt werden.
Wann kamt ihr zum ersten Einsatz?
Jan: Du meinst, real mit Besen in der Hand? Das passierte mit dem Einzug.
Doris: Beim ersten Bewohnertreffen am 12.10.2018 haben wir die Einteilungsliste nochmals vorgestellt. Dabei haben wir eine gewisse Gruppen-Struktur vorgegeben, d.h. Vorgaben gemacht bezüglich Gruppengröße (also wieviele Leute pro Gruppe) und dass jede Gruppe ein sogenannten Kopf haben sollte. Weitere Angaben haben wir nicht gemacht, da wir den Dingen freien Lauf lassen und abwarten wollten, wo sich die Leute selber eintragen. Wir waren ganz erstaunt, wie schnell sich die Leute eingetragen haben; das hat erstaunlich gut funktioniert – bis auf einige wenige, die wir dann eigens angesprochen haben. Zum Beispiel hatten wir die Befürchtung gehabt, dass die Gruppe Müllhäuschen verwaist; die war aber dann am schnellsten voll. Die Mischung der Bewohner passte zu der Mischung in der Liste. Und wir haben auch früh festgestellt, dass die Treppenhäuser nicht zentral organisiert werden, sondern jede Haus-gemeinschaft das für sich organisiert.
Wie organisiert ihr euch?
Jan: Eine Gruppe von sechs, sieben Leuten organisiert die Selbstverwaltung, sie trifft sich ca. sechsmal im Jahr, um die Dinge zusammen zu tragen und ggf. Themen für das Bewohnertreffen vorzubereiten. Je nach Bedarf kommen zusätzliche Personen dazu, wenn z. B. der Ramadama zu organisieren ist. Doris ist der Kopf dieser Truppe.
Welche Motivation treibt euch persönlich an, bei der Selbstverwaltung mitzumachen?
Jan: Ich denke, dass die Selbstverwaltung unser Herzstück ist und da wollte ich gerne mitmachen.
Doris: Das ist bei mir auch so. Ich meine, dass es so einer Hausgemeinschaft auch ganz guttut, wenn man so Dinge gemeinsam tut und es nicht einfach nur irgendwo einer Verwaltung überlässt. Auch wenn ma nicht immer Lust hast, z. B. die Kellergänge zu fegen. Jeder trägt was zur Gemeinschaft bei – das ist schon ein wichtiger Punkt.

Jan: Es wirkt dadurch auch gepflegt und strahlt so eine wohnliche Atmosphäre aus. Es kommen ja auch immer wieder viele Nachbarn aus dem Quartier und Fremde in den Hof und es scheint, dass sie es sehr attraktiv bei uns finden – nicht im Sinne von schick, sondern von freundlich, belebt; man merkt, dass sich die Leute kümmern und gerne hier wohnen. Von daher gibt es bei der Selbstverwaltung schon auch den sozialen Aspekt. Denn durch die gemeinschaftlichen Arbeiten wachsen wir zusammen und die Anlage wird unsere! Und jeder kann sich einbringen nach seinem good will, ich z. B. fege und schaufel lieber als Confluence zu pflegen.
Denn durch die gemeinschaftlichen Arbeiten wachsen wir zusammen und die Anlage wird unsere! Und jeder kann sich einbringen nach seinem good will.
Wie gewährleistet ihr, dass jeder was tut?
Jan: Gute Frage! Wir sind mit dem Ansatz gestartet, dass wir vertrauen und hoffen, dass jeder was macht und das ist bis heute geblieben. Wir haben keine Häkchenliste. Wir haben je Gruppe einen Kopf, so organisieren sich Gruppen dann in Eigenregie. Es gibt keine übergeordnete Kontrollfunktion.
Christoph: Ja, das ist genau der Punkt. Die Qualität, die wir dadurch gewinnen, dass wir keine Kontrollen haben, macht wett, dass wir an manchen Punkten dem einen oder anderen auch mal hinterherlaufen und mit viel guten Worten überreden, dann doch mit anzupacken. Diese Freiwilligkeit finde ich viel besser als eine perfekte Kontrolle. Denn ansonsten passiert es, dass nur unter Druck gearbeitet wird. Und ein paar Schlurchis gibt es natürlich immer, das ist in jeder Gemeinschaft so. Deshalb muss man mal jemanden auch persönlich ansprechen, aber das hält sich in einem positiv überschaubaren Rahmen. Das merkt man auch an anderen Punkten. Denn ich bin immer wieder verblüfft, dass unten in der Werkstatt jede Menge wirklich tolles Werkzeug rumsteht, auf dem kein Name steht, und jeder der mag, darf es benutzen. Wir haben da die Regel “Alles was offen herumsteht darf jeder benutzen” – es gibt natürlich auch für jeden ein paar Kisten für die persönlichen Sachen, die sind tabu, aber das allermeiste steht allen zur Verfügung. Und bisher ist da nichts abhanden gekommen, obwohl keine Vorhängeschlösser dran sind. Das ist ein großes Vertrauen, und das finde ich einen großen Wert.

Wie gerecht ist die Arbeitsverteilung?
Jan: Auch eine gute Frage – was ist gerecht? Also, wir sind gestartet in der Hoffnung, es möglichst alles gerecht zu machen. Wir justieren immer wieder nach und schauen, ob eine Gruppe zu groß oder zu klein ist. Die Struktur wächst und formiert sich mit dem Tun. Wir hoffen auf jeden Fall, dass wir jetzt schon ein gerechtes Stadium erreicht haben.
Doris: In etwa muss jeder alle vier bis acht Wochen ein bis zwei Stunden etwas tun. Das ist so ein Mittel. Und dann ist es auch immer sehr subjektiv, was einer machen kann und machen will. Für einen ist das dann auch schon genug, manche machen auch gerne mehr.
Christoph: Gerechtigkeit ist ein Ziel, aber kein Zustand, den wir im Auge behalten müssen. Wir müssen das immer wieder austarieren. Es ist immer ein Weg.
Jan: Wunsch ist es, dass sich jeder in die Arbeiten mit einbringt. Das verbindet ja auch. Dieses Stück Selbermachen ist natürlich ein ganz starker Bezugspunkt zum Projekt. Das kann man durch Einkaufen von Dienstleistungen nicht ersetzen. Dass jeder mit Hand anlegt und jeder fürs Ganze etwas einsetzen muss. Es ist ja auch relativ überschaubar in der Genossenschaft mit den Arbeiten – jeder kann sich das Passende aussuchen. Wenn du ein Häuschen hast, musst du dich um alles kümmern.
Welche “Lessons Learned” könnt ihr weitergeben für die Freihamer?
Jan: Früh genug anfangen, sich zusammen zu setzen – ein dreiviertel Jahr vor dem Einzug. Die Freihamer können sich natürlich auch an unserer Liste orientieren und sich mit uns treffen, da können wir viel von unseren Erfahrungen weitergeben.
Doris: Es ist aber bestimmt auch nützlich, wenn sie sich neben unserer Liste auch im Internet bei anderen Hausverwaltungen schlau machen. In Freiham haben sie ja bestimmt auch andere Gegebenheiten.
Es ist förderlich, wenn im AK Selbstverwaltung unterschiedliche Leute sind, in dem Sinne, dass der eine vielleicht überfordert ist mit etwas, das der andere gerade gut kann.
Christoph: Hilfreich ist es, wenn sich frühzeitig ein Team an Leuten findet, das gut miteinander kann. Ein Team, das sich im umfassenden Sinne für die Themen zuständig fühlt, also dass es im Gesamten funktioniert, nicht nur einzelne Aufgaben.
Doris: Es ist förderlich, wenn im AK Selbstverwaltung unterschiedliche Leute sind, in dem Sinne, dass der eine vielleicht überfordert ist mit etwas, das der andere gerade gut kann.
Jan: Neben leichteren Dingen, wie Mähen und Hecke schneiden, sind ja auch wirklich anspruchsvolle Themen, wie Verträge unter Kontrolle haben, die Wartung von Heizung und Aufzügen im Blick haben, die Pumpen-schächte überprüfen. Die Nebenkostenabrechnung gibt es dann auch noch.
Und: Die Übergabe vom Bau in den Bestand war etwas holprig. Daraus können wir lernen, dass nach dem Beziehen ein Paket mit allen anstehenden Aufgaben an die Bewohnerinnen und Bewohner übergeben wird. Aus dem Bau ergeben sich ja auch noch Folgen, wie Gewährleistungs-themen und Schäden. Ein Thema haben wir hier noch nicht zu Ende diskutiert, allerdings derzeit eher pragmatisch gelöst: Bisher darf sich hier keiner von Aufgaben in der Selbstverwaltung freikaufen. Das würde auch eine komische und ungute Stimmung erzeugen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Wir werden in der nächsten Ausgabe das Thema fortsetzen – mit Fragen zu Einzelaktionen, wie dem Ramadama, zum Umgang mit Schäden und zur Entscheidungsfindung.
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