Interview mit Ariane und Antony Groß, Gründungsmitglieder der Progeno eG und Inhaber der GAPP GmbH – Projektsteuerung Architektur
Der Award Deutscher Wohnungsbau 2020 hat uns als Progeno eG in der Kategorie „Partizipative Planung“ ausgezeichnet – ein willkommener Anlass, uns an die Anfänge der Progeno zu erinnern. Lena Krahl, seit 01. Januar Vorständin der Progeno eG und selber Bewohnerin im Prinz-Eugen-Park hat sich bei Ariane und Antony Groß erkundigt.
Das ist ein toller Preis und das wollen wir allen Mitgliedern schön präsentieren. Statt einfach nur ein Foto zu bringen, wollen wir euch befragen, da ihr nicht nur die Projektsteuerung dort gemacht habt, sondern maßgeblich an der Gründung der Progeno eG beteiligt wart.

Ariane: Das ist ja auch für uns eine einmalige Geschichte; ich glaube nicht, dass ich das nochmal erleben werde. Das wäre unwahrscheinlich, wobei es sicherlich auch anders laufen würde, weil man ja seine Erfahrungen gemacht hat und man bekanntlich auch aus den Erfahrungen lernt. Ich glaube, wir erzählen die mittelkurze Variante, oder?
Die Progeno ist ja eher aus einer privaten Initiative gewachsen, also nicht aus finanziellen Gründen, sondern der Gedanke war ja wirklich, etwas für eine Gemeinschaft zu kreieren.
Antony: Die Geschichte ist die, dass es ein paar Leute gab, die sich seit vielen Jahren immer wieder getroffen haben, zunächst als Jugendliche, später als Familien. Und die festgestellt hatten, dass es im Raum München über diese große Entfernungen immer eine große Organisation war, dass man sich zweimal im Jahr treffen konnte. Das war der eine Ansatz. Der andere Ansatz war, dass Familien, die an sich gute Jobs haben, aber kein Eigenkapital mitbringen, es sich nicht leisten können, in München Wohn-raum zu schaffen. Im Sommer 2014 waren wir, Familie Mussenbrock und Familie Groß, zusammen auf Föhr, als die Idee aufkam, zusammen zu bauen. Nach einigen Gesprächen haben wir schließlich gesagt: „Komm, lass uns das versuchen!“. Christoph kommt ja aus der Genossenschaftsbanken-Ecke. Sehr früh ist auch Philipp dazu gekommen, den Mussenbrocks schon länger kannten. Unsere Hauptidee also: Wie kann man sich mehr vernetzen, mehr zusammen wachsen, wie in einem Dorf, wo ein natürliches, zufälliges Treffen möglich ist. Und wie kann man langfristig bezahlbaren Wohnraum für sich selber generieren? Die Genossenschafts-idee kam bald als eine Möglichkeit in Frage. Am 06.03.2015 haben wir dann mit zwölf Gründungsmitgliedern die Progeno eG gegründet, mit einigen aus Philipps Umfeld, einigen aus unserem Umfeld und einigen aus dem Umfeld von Mussenbrocks. Als wir gegründet waren, haben wir erstmal überlegt, wo wollen wir hin. Bald war klar, dass wir in München bleiben wollen. Dann bekamen wir mit, dass München alte Kasernengelände verkauft. „Bewerben schadet nicht“, dachten wir uns. So haben wir uns rasch beworben und bekamen den Zuschlag. Und dann standen wir da!
„Unsere Hauptidee also: Wie kann man sich mehr vernetzen, mehr zusammen wachsen, wie in einem Dorf, wo ein natürliches, spontanes Treffen möglich ist. Und wie kann man langfristig bezahlbaren Wohnraum für sich selber generieren?“
Ariane: Die Stadt hatte ein Grundstück mit insgesamt ca. 130 Wohnungen ausgeschrieben, das uns aber zu groß war. So haben wir die Bewerbung mit der Wagnis eG als Kooperationspartnerin gemeinsam gemacht. Im Vorfeld waren Christoph und Philipp beim Wagnis eG Vorstand, um Überzeugungs-arbeit zu leisten. Schließlich wollte der Wagnis eG Vorstand wissen, ob wir das schaffen und ob wir die bauliche Kompetenz haben; deshalb war ich dann auch mal dabei. Die Wagnis eG war aber bald davon überzeugt, dass wir ernst zu nehmen sind. Die Bewerbung passte damals auf einen DinA4-Zettel – eine Sache von zwei Minuten zum Ausfüllen. Das muss man sich heute mal vorstellen! Und außerdem gab es für dieses Grundstück keine andere Bewerbungen. Deshalb kamen wir als Progeno für die Stadt wie gerufen. Es war damals ein leichtes Spiel, da es eine win/win Situation war. Dann kam bald die Frage: „Wie macht man das jetzt?“ Von der Bau- und Projektsteuerungsseite her war mir vollkommen klar, was zu tun ist. Aber neu waren natürlich zum einen die wirtschaftlichen Aspekte mit den Förderungen (das ist ja nicht ganz einfach) und eben das Thema der Partizipation. Da hat uns die Wagnis eG sehr geholfen. Philipp und ich haben oft mit Christoph Miller gesprochen und gefragt: „Wie macht ihr das? Wie läuft das mit der Baugruppe?“ Es gab da einen weitreichenden Austausch im Vorfeld.

Antony: Für uns ist es Alltagsgeschäft, ein Bauobjekt in dieser Größen-ordnung zu realisieren. Das Hauptthema hier war die Finanzierung; normalerweise gibt es einen Bauherrn, der weiß, wie er es finanziert. Hier hatten wir eine Genossenschaft mit 12.000 € Startkapital und damit musst du ein Projekt mit 15 Millionen stemmen. Aber die wesentliche Frage dabei ist: Wer sind denn die Bauherren? Wir hatten eben das große Glück, alle Kompetenzen zu haben: die soziale Kompetenz, die wirtschaftliche Kompetenz, die Risikokompetenz, die Vernetzungskompetenz, die Baukompetenz, die Genossenschaftskompetenz. Außerdem kannten wir uns gut untereinander. Von Anfang an wussten wir, dass wir den Weg nur gemeinsam gehen können. Der Begriff Partizipation trifft schon hier zu.
Es gab natürlich trotzdem viele Diskussionen. Das grundsätzliche Knowhow und das Vertrauen gab es – das war maßgeblich. Aber das eine ist, ein Projekt aufzusetzen, das andere ist es, diejenigen zu finden, die 20.000 € auf einen planerischen Vorentwurf hinlegen, von unbekannten Leuten. Das war eine große Herausforderung. Daneben war das Erstaunliche, mit welcher Offenheit Christoph Miller uns Informationen gegeben hat, nicht nur darüber, wie die Wagnis eG mit den Mitgliedern umgeht, sondern auch Informationen über Zahlen. In der normalen Investorenwelt zeigt kein Bauherr einem Mitbewerber, wie er kalkuliert. Das war dann schon ein Geben und Nehmen. Die Wagnis eG und speziell Christoph Miller waren für uns ein Glücksfall! Die Partizipation begann bei den Gründungsmitgliedern, da die Kompetenzen verteilt waren. Dann gab es Partizipation mit der Wagnis, namentlich mit Christoph Miller. Und dann später die Partizipation der Genossinnen und Genossen, wobei die anfangs nicht so stark war.
Ariane: Es war schnell klar, dass wir etwas Gemeinsames mit der Wagnis eG schaffen wollen, nachdem wir uns gemeinsam beworben hatten. Deswegen haben wir uns entschieden, gemeinsam mit der Wagnis eG eine Konzeptstudie auszuloben. Die Wagnis eG hatte drei Architekturbüros vorgeschlagen und wir haben drei vorgeschlagen, die jeweils Entwürfe für das ganze Grundstück gemacht haben. Das Entscheidende für uns war, dass es eine schöne, ansprechende Architektur ergibt und dass die Zusammenarbeit gut funktioniert. Es war ja alles neu; deshalb wollten wir Sicherheit auf der Planerseite. So entschied sich die Progeno dann für das Büro Lang Hugger Ramp.
„Die Partizipation begann schon bei den Gründungsmitglieder, da die Kompetenzen breit gestreut waren.“
Ihr hattet mit diesem Büro schon mal geplant?
Ariane: Ja, wir hatten mit ihnen schon mal geplant und gebaut. Außerdem musste das Büro in der Lage und willens sein, erstmal bis zur Baueingabe in wirtschaftliche Vorleistung zu gehen. Das ging nur, weil es bereits jahrelange vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen uns und Lang Hugger Ramp gab.
Wie lange war die Planungszeit?
Ariane: Ein Jahr – wir waren ziemlich schnell! Im November 2015 haben wir die Entscheidung über den Planer getroffen und im Dezember 2016 war der GU-Vertrag unterschrieben. Die Inbesitznahme haben wir mit der Wagnis eG zusammen im Oktober 2016 mit einem Fest begangen.

Antony: In einer relativ frühen Phase haben wir mit den künftigen Bewohnerinnen und Bewohnern die Grundrisse überarbeitet. Das war schon ein partizipativer Aspekt, in dem wir manche Dinge im Rahmen der architektonischen Möglichkeiten hin und her geschoben haben. Uns war aber andererseits auch bewusst, dass wir eine gewisse Stringenz benötigen, um dieses Projekt wirtschaftlich durch zu ziehen und gut zu formen. Ich kann nicht alles zur Zufriedenheit aller diskutieren. Wir haben mit den Planern vorab viel entschieden. Der Preis ist durchaus gerechtfertigt; er erkennt an, was hier zusammen entstanden ist. Die ersten, die den Mut hatten, mitzumachen, uns vertraut haben und gute Ideen eingebracht haben. Die Planer ihrerseits sind auf Risiko mitgegangen, bis zur Eingabe. Partizipation fand also statt zwischen den Gründungsmitgliedern, in der nächsten Ebene der Genossenschaft, dann mit denen, die z. B. bei den Grundrissen mitgegangen sind und schließlich mit den Planern.
Was bedeutet der Preis für die Progeno?
Antony: Mit dem ersten Projekt gleich einen Preis zu bekommen, ist schon erstaunlich.
Welche Herausforderungen ergaben sich für die Architekten?
Ariane: Zum einen galt es, die komplizierten Vorgaben des geförderten Wohnungsbaus umzusetzen. Zum anderen war die Wirtschaftlichkeit ein großes Thema. Dabei noch einen qualitativen Anspruch zu realisieren, ist eine große Herausforderung. Dazu wurde der Zeitplan gut eingehalten.
Die grundsätzliche Qualität muss hoch sein, damit sich alle wiederfinden, z. B. in der Ausstattung mit Parkett, Holz-Alu-Fenstern und Fussboden-heizung. Die Architekten von Lang Hugger Ramp waren daher auch zweimal in der Baugruppe – einmal zur Bemusterung und dann wegen weiterer Einzelfragen.

Ariane: Der GU hat verstanden, dass es hier um etwas Besonderes geht. Es war ihm ein Anliegen, dass das Ganze funktioniert. Das hat er beim Richtfest auch ausgedrückt. Partizipation heißt an dieser Stelle, dass man alle mitnehmen muss. Da ist die Baugruppe, die verstehen muss, dass sie sich nicht immer was wünschen kann. Und das geht runter bis zu den Entscheidern auf der Baustelle. Das Thema Partizipation sollte tatsächlich alle Beteiligten einbeziehen.
Antony: Wir hatten das große Glück, die Planer und die Baufirma über-reden zu können, dieses Projekt mitzumachen. Es waren ja auch alle begeistert von der Idee! Dem Objekt, das ja sehr schön ist, sieht man die gelungene Partizipation und auch die Begeisterung dafür an. Diese hat einen Ausdruck gefunden in dem, wie es hier steht, auch in dem, wie es sich weiterentwickelt hat und gelebt wird.
„Dem Objekt, das ja sehr schön ist, sieht man die gelungene Partizipation und auch die Begeisterung dafür an.
Der Außenraum hat sich mit der Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner hervorragend weiterentwickelt.“
Ariane: Bei den Außenanlagen gab es große Diskussionen. Wir haben ja nur das gemacht, was man machen muss – für mehr war auch kein Geld da. Wenn man jetzt die Entwicklung des Außen-Raumes sieht, ist das doch eine gute Sache. Der Außenraum hat sich mit der Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner hervorragend weiterentwickelt.
Der AK Garten ist ja wirklich super aktiv mit vielen guten Leuten, mit dabei Landschaftsarchitekten, Garten-Experten und Liebhaber.
Antony: Dieses Projekt hier war ein absolutes Pionierprojekt! Wir haben hier alles zum ersten Mal gemacht – wir hatten kein Beispiel!
Felizitas Mussenbrock-Strauß | Fotos: Christoph Mussenbrock, Antony Groß
