Wir müssen mal miteinander reden …

… und: Wir müssen mehr miteinander reden
und vielleicht auch anders

Daniel Scholz schrieb uns seine Erinnerungen und seine Gedanken in Form einer Glosse:

„Ich trete diese Dose mit Bums vom Gehsteig. Sohnemann würde dazu gewiss applaudieren – nach vielen Monaten ohne Fußballtraining. Es poltert. „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Watzlawick. Dieser Gedanke ist sofort da!

Oh … das große Thema im Jahr zwei der wohnenden Genossenschaft. Aber mich interessiert gerade mehr: Wer hat mich beobachtet? War das Poltern als Statement quasi als Antwort wahrzunehmen? Irgendwo Publikum am Fenster? Wenn mich aber niemand gesehen hat: wäre das nur ein Selbstgespräch mit Affekthandlung gewesen? Von der Selbst- zur Fremdwahrnehmung und wieder zurück – das geht bei mir manchmal schnell an einem verregneten Tag. Jetzt komm aber mal runter, Alter oder mit den Worten meiner Tochter von letzter Woche: „chill mal.“ Oh je, Siebenjährige haben es echt drauf. 

Vom Wohnmobil (Freiheitsversprechen Baujahr 98) durch die zugeparkte Ruth-Drexel bis zur Haustür sind es nur 2 Minuten. Schnappatmung bei frischer Herbstluft jetzt. Auf Höhe der Wagnisnachbarn falte ich den Zettel nochmal auseinander. Kann mich das jetzt tatsächlich so aufregen? Es war doch kein Knöllchen unterm Scheibenwischer. Und kein Reifen war abgestochen … alles okidoki. Und doch kam ich mit der verdammten Kommunikation erstmal nicht zurecht.

Exkurs: Mir persönlich hat die COVID-Krise immer mehr die Augen geöffnet, wie komplex das mit dem Reden und auch und gerade mit dem Zuhören ist. Die Kommunikationswissenschaftler sprechen da vom Senden und vom Empfangen. Aber es ist natürlich viel komplizierter. Und doch: wir bekommen es meistens hin – sonst gäbe es ja keine Genossenschaft, kein Zusammentun, keinen Staat und überhaupt keinen Frieden auf Erden.

Mahnende Worte an die Windschutzscheibe geklemmt! (Foto: Daniel Scholz)

Legen wir mal meinen Herbsttag auf die sprichwörtliche „Couch“:

Das Wohnmobil stand zu dem Zeitpunkt als ich den Zettel an der Windschutzscheibe fand, schon sechs Wochen unbewegt in der Straße: Ein großer, weißer, schmutziger Elefant. Ich konnte es nicht wie geplant ins Winterquartier bewegen: eine blöde Knöchelfraktur. Das hätte ich dem Absender gerne erzählt. Damit er mich versteht, weil ich ihn – zumindest in einem Punkt sehr gut verstanden habe: In unserer Straße stehen zu viele Autos und für kleine Menschen wie unsere Kinder, ist das gefährlich. Ich teile das Anliegen. Was tun mit dieser Botschaft in schriftlicher Form? Wo war die Wärme und das Verständnis aus dem möglichen, gemeinsamen Austausch? Einem anonymen Absender (Smiley hin oder her) konnte ich das nicht erzählen. Ich hatte sogar kurz die Idee, meinerseits ein Antwortknöllchen an den Scheibenwischer zu hängen … die Windschutzscheibe als Briefkasten sozusagen. 

Nun. Auf der Beziehungsebene kam ich jedenfalls nicht weiter. Die Sachinformation war aber bei mir angekommen. Und ich habe zumindest auch den persönlichen Appell wahrgenommen. Doch der tat nicht gut, denn mir waren die Beine gebunden. Mein Orthopäde: „Sie sind nicht fahrfähig“. Was also, wenn da nach einer weiteren Woche Selbstjustiz einsetzt? Doch ein Reifen platt gemacht wird? Dann ein zweiter oder eine Scheibe? Interessant, was ich meinen Mitmenschen in dieser Stressphase so zugetraut hätte. Zu meiner Verteidigung: Es gab zu der Zeit auch viele COVID-Baustellen in meinem Leben.

Beziehung, Appell, Sachinformation. Ich will diesen kleinen Beitrag mit einer kurzen Selbstaussage beenden. So nennen die KWller (Kommunikationswissenschaftler) die vierte oder erste … Dimension. Warum schreibe ich das ganze hier? Ich meine, dass wir mehr miteinander reden müssen. Ich meine auch, dass wir das offen tun sollten – und selbstkritisch. Dazu gehört klar Mut und Demut, eine gewisse Offenheit und die Neugierde, gemeinsam neue Standpunkte zu finden. Im Prinz Eugen-Park vermessen wir gerade die Spielräume dafür, persönliche (auch konträre) Freiheitserwartungen zum Vorteil aller miteinander zu vermählen – inklusive der Ansprüche, die wir an Gemeinsinn und Zusammentun als Wert an sich haben. Denken wir zurück: Vor 5 Jahren als hier der Kulturraum noch nicht verhandelt wurde, war alles nur wilde buschgrüne aufgelassene Kaserne. Was für ein Wandel! Was für eine Herausforderung! Aber auch was für riesige Möglichkeiten! Ich will einen Beitrag leisten dazu, dass wir ideologiefrei und respektvoll miteinander in Kontakt kommen und das hier ein tolles Wohnumfeld für alle wird. Wenn der „Seelenstriptease“ oben etwas dazu beigetragen hat, fände ich es gut. Ansonsten bin ich für Nachsicht dankbar. Denn selbstverständlich sitze ich Dosentreter erstmal selbst im Glashaus!

Daniel moderiert ab und an Bewohnertreffs. Nicht nur dort sitzt er im Glashaus. (Foto: Tina Rieger-Gudehus)

Daniel Scholz

Die Ampel ist grün oder warum wir uns so oft missverstehen:
Das Kommunikationsquadrat nach Schulz v. Thun

Ein Mann sitzt auf dem Beifahrersitz während seine Frau das Auto fährt. Sie stehen an der Ampel. Als die Ampel auf Grün umspringt, sagt er, „Die Ampel ist grün“. Ihre verärgerte Reaktion darauf: „Fahr ich oder fährst du?“

Diese kleine Anekdote hat Geschichte gemacht, denn sie ist das klassische Beispiel für das „Kommunikationsquadrat“ des Psychologen und Kommunikationswissenschaftlers Friedemann Schulz von Thun.

Ihm war aufgefallen, dass es oft mehrere Ebenen gibt, wenn Menschen miteinander sprechen. Die Sachebene ist das, was rein oberflächlich gemeint ist: Die Ampel ist grün. Auf der Sachebene gibt es selten einen Konflikt. Aber dann gibt es ja noch den Appell: Eigentlich meint der Mann: „Jetzt fahr halt los!” – und das kommt bei seiner Frau auch so an. Soweit so gut, wäre da nicht noch die Beziehungsebene: vielleicht wollte der Mann tatsächlich nur einen freundlichen Hinweis geben, bei der Frau kam aber an: „Er hält mich für eine schlechte Autofahrerin!”. Und schließlich gibt der Mann auch etwas über sich selbst preis – nämlich „Ich habe es eilig!”.

Bild: Christoph Mussenbrock

Man muss kein Wissenschaftler sein, um diese verschiedenen Ebenen wahrzunehmen, und es passiert im Alltag auch ständig, ohne dass wir uns dessen bewußt werden – wir setzen es durchaus auch ein, um Einfluss zu nehmen, oder unseren Ärger loszuwerden.

Manchmal kann es daher helfen, einmal darüber nachzudenken, was man mit seinen vier „Schnäbeln“ kundtut – und was bei den vier Ohren unseres Gegenübers ankommt – und was es dort vielleicht auslöst.
Der Beitrag von Daniel Scholz ist unter anderem auch von einigen angeregten Gesprächen über diese Thema inspiriert, und wer mag, kann ja einmal den vier Seiten einer Nachricht in seinem Artikel nachspüren.

Christoph Mussenbrock

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