Möglichkeiten der Partizipation und aktuelle Themen im Stadtbezirk 22
„Aubing-Lochhausen-Langwied“ heißt der Stadtbezirk 22 in München. Freiham fehlt in der Nennung, obwohl die ersten Wohnungen schon belegt sind und letztlich 25.000 Menschen in dem neuen Stadtteil wohnen werden. Aktuelle Diskussionen über Verkehrserschließung, Nahversorgung oder ärztliche Präsenz finden fernab der Neubürgerinnen und Neubürger statt. Brauchen sie eine stärkere Lobby und wer kann diese Rolle übernehmen?
Noch ist Freiham als Stadtteil im Stadtbezirk 22 in München nicht aufgeführt. Schaut man im Internet auf die Seite des Bezirksauschusses 22 (BA 22) unter „Aktuelle Themen“, dann sind dort gelistet: Planungen eines beschrankten Bahnüberganges in Neuaubing, ein Dorfplatz für Aubing oder eine Baumpflanzaktion für den gesamten Stadtbezirk. Man muss schon tief graben, um Themen zu finden, die Freiham betreffen. Obwohl schon 1.000 Bürgerinnen und Bürger in das Neubaugebiet eingezogen sind.

Gut, die großen Themen der Stadtteilentwicklung werden nicht hier im Stadtteilparlament, sondern im Stadtrat behandelt. Außerdem versucht das Stadtteilmanagement Freiham, Lobbyarbeit für die aktuellen und künftigen Bewohnerinnen und Bewohner zu machen.
Doch reicht das aus, um die Interessen ausreichend zu berücksichtigen? Im Bezirksauschuss können Bürgerinnen und Bürger aus Freiham noch nicht vertreten sein. Denn als die letzte Wahl war, war noch niemand im neuen Siedlungsgebiet gemeldet. Ein Weg könnten Patenschaften sein, die BA-Mitglieder für den Stadtteil übernehmen. Durchaus eine denkbare Alternative, findet der stellvertretende Vorsitzende im BA 22, Boris Schwartz (Grüne). „Es würde tatsächlich Sinn machen, ein BA-Mitglied oder einen Bewohner des Stadtbezirks zu bitten, Anträge oder Bürgeranliegen zu übernehmen“, meint er.
Bürgeranliegen erwünscht
Einen direkteren Weg sieht der Bezirksausschussvorsitzende, Sebastian Kriesel (CSU): „Ein Anliegen an den BA kann jede Person vorbringen. Es muss sich nur um eine Angelegenheit im Stadtbezirk handeln. Also, keine Scheu!“ Zu Beginn jeder Bezirksausschusssitzung gibt es den Tagesordnungspunkt „Bürgeranliegen“, bei dem diese eingebracht werden können. Solange Einschränkungen wegen Corona bestehen und die Plätze sehr beschränkt sind, sollen diese nicht mündlich auf den BA-Sitzungen vorgebracht, sondern schriftlich an die BA-Geschäftsstelle (bag-west.dir@muenchen.de) gesendet werden.

Außerdem kündigt BA-Chef Kriesel an, dass es von Seiten des Bezirksausschusses feste Ansprechpartner für das Stadtteilmanagement geben wird. Vertreter des BA werden künftig bei den Sitzungen teilnehmen. Für den Dialog mit den Neubürgerinnen und Neubürgern wurde das „Forum Freiham“ ins Leben gerufen, das vom Stadtteilmanagement moderiert wird. Es soll die „zentrale Zusammenkunft aller Bewohnerinnen und Bewohner“ werden. Hier sollen die neuesten Planungen vorgestellt, Kontakte geknüpft und gemeinsame Projekte geplant werden. Die erste Veranstaltung hat am 24. März 2021 online stattgefunden. Vertreten waren das Stadtteilmanagement, der Bezirksausschuss 22 und verschiedene Organisationen im Stadtteil.
Rolle des Stadtteilmanagements
Das Stadtteilmanagement (STM) Freiham hat den Anspruch, zentraler Ansprechpartner für die Bürgerschaft in Freiham zu werden. Doch kann es auch deren Anliegen neutral vertreten und vorbehaltlos vorantreiben? Dazu muss man der Rolle der Einrichtung einmal auf den Grund gehen.
Das STM ist in der Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung (MGS) angesiedelt. Dieses Tochterunternehmen der städtischen GWG wurde ursprünglich als Sanierungsträgerin für Stadtteile wie Haidhausen oder Giesing gegründet. Aktuell ist es auch für die Sanierungsgebiete Aubing-Neuaubing-Westkreuz zuständig. Mit Freiham kümmert sich die MGS erstmals um ein Neubaugebiet. Hintergrund ist die Teilnahme der Stadt München an dem Smart-Cities Projekt der Europäischen Union, für das auch Fördermittel bereit stehen. Mit smarten Energie- und Mobilitätslösungen soll bis 2050 für Neuaubing-Westkreuz-Freiham eine CO2-Neutralität erreicht werden.
An dieser Schwerpunktsetzung wird deutlich, dass das STM zwar ein wichtiger Baustein ist, aber nicht als ausschließlicher Dreh- und Angelpunkt für die Bürgerinteressen geeignet ist. Das liegt vor allem daran, dass die MGS als städtische Gesellschaft weisungsgebunden ist. Letztlich ist sie der verlängerte Arm der Stadtverwaltung, konkret des Planungsreferates. Was ist, wenn Bürgeranliegen anstehen, die nicht in das Konzept der Verwaltung passen? Spätestens dann wäre der direkte Draht zu den politischen Gremien im Stadtrat und im Bezirksausschuss unerlässlich. Denn nur sie können Bürgeranliegen demokratisch legitimieren und die Stadtverwaltung mit der Realisierung beauftragen.
Aktuelle Themen in Freiham
Themen, welche die Lebensqualität der Bürgerschaft im neuen Stadtteil beeinflussen, gibt es reichlich. Da ist die aktuelle Diskussion über das Nahverkehrs-Netz im Münchner Westen. Die U-Bahn kommt nicht vor 2035 und die beiden S-Bahnlinien sind im Berufsverkehr bereits jetzt überlastet.Da kann eine Schnellbus-Linie von Freiham über eine eigene Spur auf der Autobahn zur U5 (Westendstraße) Entlastung schaffen. Geplant ist diese Expressverbindung ab 2022 im 10-Minuten-Takt.
Kürzlich wurde im Stadtrat auch beschlossen, eine Straßenbahn-Tangente von Blutenburg über Aubing nach Freiham weiter zu verfolgen. Sie ist sogar von der Prioriät C in Priorität A gerutscht. Wann sie realisert werden könnte, erläutert unser Progeno-Mitglied und Stadtrat Nikolaus Gradl, der im Mobiliätsausschuss sitzt: „Die Trambahn ist für einen ganz anderen Zeithorizont geplant und wird eher in den 2030-er oder 2040-er Jahren verwirklicht. Wir haben sie jetzt schon in die Prio A aufgenommen, um die Trasse zu sichern.“

Ein weiteres wichtiges Thema ist die ärztliche Versorgung im Neubaugebiet. Im nächsten Jahr wird das Einkaufszentrum in der Wiesentfelser Straße in Neuaubing abgerissen. Den Praxen wurde schon gekündigt, Die Räume für Praxen in Freiham-Nord sind dann noch nicht bezugsfertig. Frühestens 2023 könnten Ärzte in die Räume der Wohnungsgenossenschaft-West einziehen. Ein komplettes Ärztehaus ist erst im zweiten Bauabschnitt vorgesehen. Es droht eine Versorgungslücke, von der auch unsere Bewohnerinnen und Bewohner betroffen sein könnten.
Auch bei der Nahversorgung für den täglichem Bedarf ist noch nicht alles in trockenen Tüchern. Auf dem Mahatma-Gandhi-Platz an der S-Bahn-Station Freiham soll zwar ein Einkaufszentrum mit bis zu 70 Läden entstehen. Die Personen, die jetzt schon eingezogen sind, müssen aber noch lange Zeit ihre Sonntagssemmeln im benachbarten Neuaubing holen.

Es sind aber auch die vermeintlich kleinen Themen, bei denen eine Mitwirkung der Neubürgerinnen und Neubürger gefragt ist. Etwa die Reduzierung der Staubbelastung durch den starken Baustellenverkehr, die uns noch länger erhalten bleiben wird, auch wenn wir dort schon wohnen. Ob die gesperrten Straßenverbindungen nach Aubing, fehlende Besucherparkplätze im Viertel, die sinnvolle Platzierung von Müll-Sammelstellen oder die Entwicklung des Kulturlebens nach Corona – es gibt genügend Ansatzpunkte, bei denen die Freihamer stärker in die Stadtteil-Entwicklung eingebunden werden können.
