Heike Ewald und Alexander von Grafenstein im Interview
Raus aus der Anonymität der Großstadt, hinein in eine Gemeinschaft, die soziale Einbindung und ein ökologisches Bewusstein verspricht: Darauf freuen sich die Grafensteins, künftige Bewohner in Freiham bei der Progeno. Auch wenn sie sich an manch neues Konzept noch gewöhnen müssen!

Claudius Wolfrum aus dem Prinz-Eugen-Park hat sich mit der Familie über ihre Zukunftsvorstellungen in Freiham unterhalten.
Wo kommt ihr her, und was macht ihr beruflich?
Heike: Ich bin auf einem Dorf in der Nähe von Schweinfurt aufgewachsen. Ich habe Psychologie studiert und war dann noch ein paar Jahre in der Forschung, bevor ich ins Gesundheitswesen gewechselt bin. Ich bin aber keine Therapeutin, auch wenn mir immer wieder Leute gleich ihre Lebensgeschichte erzählen. Jetzt arbeite ich in München bei einem Klinikverbund im Bereich Versorgungsentwicklung und Versorgungsqualität, da geht es um Themen, wie z.B. Behandlungsangebote und Krankenhausplanung, Digitalisierung im Krankenhaus, Patientenzufriedenheit, Qualitätsmessung.
Alexander: Ich bin in einer Familie mit vier Kindern in Landshut aufgewachsen. Nach dem Abitur habe ich Maschinenbau an der TU München studiert und arbeite seitdem bei einem kleinen Zulieferer für Automobil-Elektronik. Mittlerweile nenne ich mich System-Architekt und entwerfe fachübergreifend die Funktionen unserer Steuergeräte. Einer unserer wichtigsten Kunden war und ist Rolls-Royce, die immer sehr ungewöhnliche Funktionen in kleiner Stückzahl brauchen. Ein früheres Hobby-Projekt durfte ich sogar in meiner Firma für Rolls-Royce zum Seriengerät weiterentwickeln: Ein Sternenhimmel im Dach, der verschiedene Effekte darstellt.
Wie seid ihr auf die Progeno gestoßen?
Heike: Unsere derzeitige Wohnung ist ja perspektivisch zu klein, daher waren wir schon länger auf der Suche. Eigentlich wollten wir etwas kaufen, dazu hätten wir aber aus München wegziehen müssen. Das wäre aber beruflich und vor allem sozial schwierig gewesen. In dieser Situation hat uns der Vater von Alexander auf das Modell „Genossenschaft“ hingewiesen. Bei Recherchen sind wir dann durch Zufall auf die Progeno gestoßen. Im Juli 2020 haben wir uns gerade noch rechtzeitig für einen zweiten Informationsabend angemeldet und waren dann sehr überrascht, dass wir gleich die Option auf eine Wohnung hatten und auch überfordert, uns innerhalb von 2 Wochen entscheiden zu müssen.
„Die Genossenschaft ist mehr als wir allein je gehabt hätten“
Was fasziniert Euch an dem Gedanken einer Genossenschaft?
Heike: Besonders gefällt uns das Konzept der Gemeinschaft. Auch jetzt ist schon spürbar, dass man in der Genossenschaft nicht so anonym leben muss, wie es oft in der Großstadt der Fall ist. Wir kennen unsere zukünftigen Nachbarn jetzt schon besser als die meisten unserer bisherigen Nachbarn. Wir empfinden das Ganze ein bisschen wie ein Dorf in der Stadt. In der Genossenschaft hat man zwar seinen privaten Rückzugsraum aber auch ganz viele soziale Kontakte und ein soziales Netz. Insbesondere für unsere Tochter Marta freuen wir uns auf viele neue Freundinnen und Freunde.
Alexander: Heike ist ja auf dem Dorf bei Schweinfurt aufgewachsen und war am Nachmittag immer draußen mit ihren Freundinnen. So was Ähnliches erhofft sie dann auch in Freiham. Die Genossenschaft ist mehr als wir allein je gehabt hätten. Hier kann man gemeinsam alt werden, es sitzt nicht jeder alleine in einem großen Haus, wenn die Kinder mal ausgezogen sind, wie das so oft in unserer Elterngeneration der Fall ist. Im PEP haben wir bei einem Besuch gleich gemerkt, dass da eine andere Atmosphäre ist als im Rest der Stadt. Aber auch der ökologische Gedanke des umweltbewussten Bauens und Wohnen ist für uns wichtig. Da ist das Konzept „jeder sitzt in seinem Einfamilienhaus“ ja auch nicht gerade optimal.
Was ist schwierig für euch?
Heike: In den Baugruppentreffen gibt es zurzeit schon ganz schön emotionale Themen. Als erstes fällt uns da die Verteilung der zu wenigen Stellplätze ein. Wo unterschiedliche Meinungen und Bedürfnisse aufeinanderprallen ist das ja auch völlig normal, es macht aber die Entscheidungsfindung nicht gerade einfach Manchmal diskutieren wir über Randthemen doch etwas ausführlich und andere Themen kommen im Verhältnis zu kurz. Es gibt in der Baugruppe natürlich auch verschiedene Weltanschauungen, die man zusammenführen muss. Was der genossenschaftliche Gedanke des Teilens und der Selbstverantwortung für uns bedeutet war uns anfangs selbst nicht ganz klar.
Alexander: Das banale Thema Waschmaschinen zum Beispiel: Unser erster Impuls war, wir brauchen eine eigene, am besten in der Wohnung, einfach weil man das eben so kennt. Aber natürlich geht das auch anders. Wahrscheinlich geht es vielen anderen ähnlich – an neue Konzepte muss man sich erst gewöhnen.
„Jedes Projekt wird einzigartig sein, es wäre aber schön, wenn es eine Art gemeinsame Mentalität gibt“
Wo seid ihr denn jetzt konkret engagiert?
Heike: Ich fange ehrlich gesagt gerade erst an, mich einzubringen, und mache jetzt erst einmal im AK Gästeappartements mit. Nach einem ersten Austausch mit dem PEP war es erst einmal für uns ein überraschender Gedanke, dass die Bewohner selbst putzen, wenn sie das Appartement gemietet haben. Da haben wir Freihamer noch einen Weg vor uns, wie hier Gemeinschaft funktionieren kann. Wir wollen uns das jetzt mal im PEP anschauen und informieren. Außerdem hatte ich eine Idee für eine Umfragetechnik, die in den Baugruppentreffen helfen könnte, Entscheidungen in eher emotionalen Themen zu treffen. Die werde ich nach der Sommerpause mal einbringen.
Alexander: Ich bin vor Kurzem im AK Confluence eingestiegen, wir wollen das neu strukturieren und insgesamt wieder klarer und transparenter machen. Ich plane gerne Prozesse und Konzepte. Als erstes brennt mir das Thema Umfragen in Confluence unter den Nägeln, da hier ja wichtige Entscheidungen getroffen werden. Hierfür möchte ich ein standardisiertes Vorgehen vorschlagen. Außerdem freue ich mich schon sehr auf die Gemeinschaftswerkstatt und will mich da einbringen. Gerade gibt es aber dringenderes finde ich.
Wie seht Ihr die (eure) Zukunft der Progeno?
Heike: Ich denke, dass mit steigender Mitgliederzahl vor allem gut eingeführte Prozesse notwendig sind, wie Philipp Terhorst mal in einem Baugruppentreffen dargestellt hat. Projekt Freiham scheint sich schon deutlich von Projekt PEP zu unterscheiden – durch mehr und natürlich andere Bewohner, eine andere Gesprächskultur, durch die Pandemie etc. Jedes Projekt wird einzigartig sein, es wäre aber schön, wenn es eine Art gemeinsame Mentalität gibt, die von vorherigen an zukünftige Projekte weitergeben wird. Insgesamt ist es sicher sinnvoll, wenn wir als Progeno noch weitere Projekte bauen, da wir das genossenschaftliche Wohnen als eine tolle Möglichkeit sehen.
Danke für das Interview!
