Es gibt kein Leben ohne Risiko
Risiko ist kein Konstrukt, sondern Realität
Seit den 1980er Jahren ist der Begriff der Risikogesellschaft in den Sozialwissenschaften breit diskutiert worden. Ulrich Beck, dessen gleichnamiges Buch den Begriff als zukunftsweisend für eine „andere Moderne“ beschreibt, wurde sehr populär. Seine Kernthese war, dass die moderne Gesellschaft sich durch selbstproduzierte Risiken charakterisiere und nicht über Fortschritt, wie noch in der Industriegesellschaft.
Denn das Risiko ist kein Konstrukt, sondern Realität! Und wenn dem so ist, so wirft das etliche spannende Fragen auf.
Zwanzig Jahre nach dem Weltbestseller „Risikogesellschaft“ erneuerte und erweiterte Ulrich Beck seine Zeitdiagnostik zur Weltrisikogesellschaft: Terrorismus, Klimakatastrophe, Finanzkrise usw. .Diese Risiken durchdringen all unsere Lebensbereiche, zugleich sollen sich aber neue Chancen zur Gestaltung der Welt im Großen und im Kleinen eröffnen!
Im Rahmen meiner vertieften Beschäftigung mit dem Thema Risiko, unter dem Einfluss einer immer noch anhaltenden Pandemie (Weltrisiko!), bin ich auf ein aktuelles Buch von Julian Nida-Rümelin / Nathalie Weidenfeld gestoßen. Ein Buch, das sich aus philosophischer und kultureller Sicht dem Thema nähert. Die Autoren versuchen, einen angemessenen und zugleich vernünftigen Umgang mit Risiken und den damit verbundenen Gefahren zu beschreiben.
Zum Abschluß meiner unvollständigen Beschäftigung mit den Fragen nach Ursprung und Umgang mit Risiken habe ich doch noch eine Antwort gefunden:
Die Systemtheorie von Niklas Luhmann unterscheidet zwischen „Risiko“ und „Gefahr“. Die populäre Unterscheidung Risiko und Sicherheit greife zu kurz, da jede Entscheidung Risiken enthält. Sicherheit sei als allgemeines Ziel zu verstehen, entscheidend ist aber, wie jemand einem Risiko selbst gegenüberstehe. Habe man selbst die möglichen negativen Folgen einer Entscheidung zu beeinflussen, schultere man ein Risiko, das meist auch selbst verantwortet werden muss. Ist man jedoch von Wirkungen aus der Umwelt (z.B. dem Wetter) betroffen, so wird dies nach Luhmann als „Gefahr“ kategorisiert.
Berühmt ist Luhmanns Beispiel des Regenschirmrisikos:

„Wenn es Regenschirme gibt, kann man nicht mehr risikofrei leben: Die Gefahr, dass man durch Regen nass wird, wird zum Risiko, das man eingeht, wenn man den Regenschirm nicht mitnimmt. Aber wenn man ihn mitnimmt, läuft man das Risiko, ihn irgendwo liegen zu lassen.“
N. Luhmann

BUCHTIPP
Die Realität des Risikos
Über den vernünftigen Umgang mit Gefahren
Julian Nida-Rümelin, Nathalie Weidenfeld | München 2021
Karla Flügel | Abbildung: Saffu (unsplash)
