Gibt es ein Leben unter PV-Anlagen?

„Ja“, sagt Oksana Scholz – unterstützt von Nicole Bös-Günther gibt sie wissenswerte Einblicke

Seit dem Jahreswechsel stehen nun die Photovoltaikanlagen auf unseren Progeno-Dächern im Prinz-Eugen-Park . Schon bald werden sie Strom in unsere Wohnungen liefern. Aber geht es hier nur um Strom?

In der Zukunft soll ein Leben unter unseren PV-Anlagen entstehen. Dafür hat Andreas Horn (Planer der PV-Anlagen) die Flächen unter den Panelen als sog. Biodiversitätsgründach angelegt. Das Konzept dazu hat Simone Gröger, Studentin der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, im Rahmen ihrer Bachelorarbeit entwickelt.

Dachbegrünungen können Ersatzlebensräume schaffen. Die zunehmende Bebauung und Versiegelung der Flächen in der Stadt nimmt den Lebewesen wichtige Grünflächen, die als Rückzugsort und Lebensraum dienen. Ziel der Begrünung auf unseren Dächern ist die Schaffung ökologisch wertvoller Habitate, in denen sich bestimmte Artengruppen ansiedeln können.
Andreas Horn verwendet auf den Progeno-Dächern vor allem drei Bausteine: Totholzanhäufungen, Wasserstellen und eine spezielle Pflanzenauswahl.

Die Totholzelemente befinden sich am Rand der PV-Anlage. Es sind Haufen aufeinander gelegter Stämme und alter Baumwurzeln, ca. 60 cm hoch. Totholz bietet vielen Insekten und Spinnen einen wichtigen Lebensraum. Auch der Flora dient das Holz. Hier siedeln Pilze, Moose und Flechten. An Hitzetagen sind die Haufen kühle Mikrohabitate mit Schattenwurf und Strukturen. An kühlen Tagen erwärmt die Sonne das Holz dagegen schneller als die Oberfläche des Daches, sodass sich die Tiere hier bereits aufwärmen können.

Die Wasserstellen befinden sich unter den Panelen. Auf Haus E wurden zwei Wasserstellen angelegt, auf Häusern A und B jeweils eine. Für diese kleinen Teiche (L 120 x B 100 x T 20 cm) wurden Folien in das Substrat eingearbeitet und mit Sand abgedeckt. So kann Regenwasser über längere Zeit auf dem Dach gehalten werden und für Lebewesen ein Habitat bieten. Die Moduloberfläche dient dabei als Wassersammelfläche, die Regenwasser gezielt durch speziell eingerichtete Rinnen in die Wasserstelle leitet. Ausgewählte Wasserpflanzen halten die Teiche sauber.

Damit sind wir beim dritten Baustein, der das Konzept komplettiert: Die richtige Pflanzenauswahl. Ob heimische Insekten, Wildbienen, Schmetterlinge, Käfer und Vögel dies annehmen, werden wir in den kommenden Jahren beobachten können.
Die Auswahl der Gewächse berücksichtigt ihre Bedeutung für Insekten. Hierzu zählt ihre Blühfreudigkeit. Zugleich gilt es, solche Pflanzen zu wählen, die sich dauerhaft an diesem speziellen Standort wohlfühlen. Denn nicht jede Pflanze wächst gut auf einer exponierten Dachfläche. Sonne, Hitze, Wind und auch Trockenheit sowie Frost zu widerstehen, verlangt eine gewisse Zähigkeit. Zudem sollten die Pflanzen nicht so groß werden, dass sie die Solarzellen verschatten.

Angedacht für die Begrünung ist daher eine Initial-Ansaat mit blühenden heimischen Wiesenkräutern. Ziel ist es, heimische Arten wie wilden Majoran, Lein, Schafgarbe oder wilde Karotte zu etablieren. Ergänzt wird dieser Bewuchs durch Kleinsträucher, die in dafür vorgesehene Pflanzkübel aus Betonringen eingepflanzt werden. Die Kübel dafür befinden sich bereits auf den Dächern. In der Auswahl sind Weinrose, gelbblühender Fingerstrauch, Roter Hartriegel, Woll-Weide und Johanniskraut.

Unser Dachkonzept ist neu und in manchen Punkten noch sehr theoretisch. Die Umsetzung in die Praxis wird zeigen, inwieweit die Kombination von Biodiversitätsgründach und Photovoltaikanlage funktioniert und wo praktische Verbessungen möglich sind.
Für die Beobachtung der Biodiversitätsentwicklung haben sich drei Progeno-Bewohner*innen gefunden. Sie werden regelmäßig die PV-Dächer besuchen und ihre Beobachtungen dokumentieren.

Wenn das Konzept trägt, schaffen wir mit unseren neuen PV-Anlagen nicht nur den gewünschten grünen Strom. Auch werten wir unseren Innenhof auf als wichtigen Lebensraum für unsere Natur in einer lebenswerten Stadt.

Oksana Scholz | Fotos: Oksana Scholz

1 thought

  1. Toller Artikel mit interessanten Einblicken. Dankeschön!
    Wir sind gespannt wie das bei uns in freiham wird. Nach einem halben Jahr wird es vermutlich noch wenig Lessings lesende für Freiham geben …
    Vor allem auf die isolierende Wirkung hoffend als Obergeschoss Bewohnerin
    Viele Grüße

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