Christoph und Felizitas im Gespräch mit Heike Skok, Gründungsmitglied der Wogeno
Ohne die Pionierarbeit der Wogeno wäre die Progeno möglicherweise nie gegründet worden. Wogeno-Mitgründerin Heike Skok ist eine echte „Überzeugungstäterin“: Wie aus der Hausbesetzerin eine „Häuserbesitzerin“ wurde, erzählt sie uns in einem spannenden Gespräch
Felizitas: Du konntest ja bereits ein bisschen in unser Magazin schauen – ich muss gestehen, dass ich dafür manche Anregung aus euren Wogeno-Rundbriefen entnommen habe, die ich sehr schätze.
Heike: Euer Magazin ist ganz wunderbar und wirklich beeindruckend – eine super gute Qualität!
Felizitas: Vielen Dank! Ja, dank einiger Profis im Redaktionsteam und vieler engagierter Laien. Wir sind auch sehr stolz darauf! So entstand in mir die Idee, dich als Urgestein der Wogeno für’s Magazin zu interviewen. Du hast ja mit einigen anderen viel Pionierarbeit geleistet seit der Gründung vor ca. 30 Jahren.
Christoph: Es ist unglaublich wichtig, zu erfahren, wie ihr es in der Stadt München geschafft habt, so etwas wie die Wogeno auf die Beine zu stellen. Ohne eure Vorarbeit hätten wir die Progeno nie starten können. Wir kommen von der Herkunft her eher aus der bürgerlichen Ecke, wobei wir es nicht so empfinden, aber rein faktisch ja, wir sind jetzt nicht die grünen Öko Leute von Geburt an. Unser Impetus war, wie können wir gut und bezahlbar zusammen wohnen und zwar unabhängig von irgendwelchen speziellen Überschriften.
Heike: Es ist grandios, wie ihr das gemacht habt. Dass ihr so kurz nach der Gründung ein Grundstück bekommen habt und loslegen konntet, ist ein Glücksfall. Insofern habt ihr auch viel schneller Lernerfahrungen gemacht als wir, die Jahre brauchten, bis aus der Idee endlich Realität werden konnte.
Felizitas: Ja, es war von Anfang sehr temporeich, weshalb wir bestimmte Sachen inhaltlicher Art quasi etwas nachholen. Das betrifft z. B. das Artikulieren und Definieren, was wir genau unter Selbstverwaltung und Beteiligung verstehen. Mit unserem zweiten Projekt in Freiham sind wir zu solchen Festlegungen ange-halten. Hier im ersten Projekt ist es etwas spezieller, da einige Gründer und beide Vorstände hier wohnen.
Christoph: Da ist eben auch eine spannende Frage für mich. Die Gründer haben eine ganz besondere Beziehung – es ist mein Baby und da hängt man dran. Gleichzeitig ist es aber auch manchmal eine Bremse, weil man natürlich eben genau diese enge Beziehung hat. Wir haben das Gefühl, dass jetzt nach sieben Jahren der richtige Zeitpunkt ist, den Übergang einzuläuten. Und es gibt ja auch genügend, die in dieser Übergangphasen mitmachen von der Gründung in einen laufenden Betrieb, also in eine nachhaltige, stabile Bewirtschaftung und natürlich den Aus- und Weiterbau.
Felizitas: In gewisser Weise hatten wir den Vorteil, von Anfang ein Team zu sein; kein Einzelner von uns hätte das geschafft. Deshalb konnten wir gleich mit dieser Schlagkraft durchstarten – da gab es das bauliche Know-how, das genossenschaftliche, das finanzielle/strukturierende und das soziale – sehr breit aufgestellt also.

Heike: Zu mir, ich bin Heike Skok inzwischen 65 Jahre und studierte Soziologin. Ursprünglich komme ich aus Frankfurt, bin über die Jahre ein bisschen in der Welt herumgekommen. Mit Stadtentwicklung und Genossenschaften hat es tatsächlich in Berlin während meines Studiums angefangen. Da habe ich Anfang der 80er zusammen mit Freundinnen aus dem “Notruf für vergewaltigte Frauen” ein Haus besetzt, natürlich das schönste Haus am Landwehrkanal, wie sich das für uns “Damen” gehört. Es war völlig hin. Von Fussböden über Fenster bis zu Wasser und Strom musste alles neu verlegt werden, mit Material aus Abbruchhäusern. Wasser bekamen wir von netten Nachbarinnen über einen Schlauch, praktisch war die öffentliche Toilette gegenüber und einmal in der Woche waren wir in Schwimmbad zum Duschen.
Felizitas: Wart Ihr denn so handwerklich begabt oder wie habt ihr das gemacht?
Heike: Nun, wir sind nicht lange allein geblieben, sondern es kamen Freundinnen und Bekannte dazu – alle haben mitgemacht, nach persönlichen Fähigkeiten. Der Gedanke der Selbsthilfe, den wir von Anfang an dann bei der Wogeno nach Möglichkeiten eingeführt haben. Das ist genau die Idee, dass über gemeinsames Tun unterschiedliche Herkünfte, Bildungsstandard etc. keine so wichtige Rolle mehr spielen, weil man sich ganz anders erlebt. Jedenfalls in den 80ern hatte sich die Luisenstadt-Genossenschaft schon gegründet, das waren die ersten genossenschaftlichen Ansätze in Berlin. Der Prozess der Hausbesetzungs-Legalisierung hat lange gedauert. Manche Häuser wurden geräumt und bei den legalisierten Häusern wurde überlegt, wir die Übernahme gehen könnte. Das geschah dann oft in Form einer Genossenschaft.
Nun, wir sind nicht lange allein geblieben, sondern es kamen Freundinnen und Bekannte dazu – alle haben mitgemacht, nach persönlichen Fähigkeiten. Der Gedanke der Selbsthilfe, den wir von Anfang an dann bei der Wogeno nach Möglichkeiten eingeführt haben. Das ist genau die Idee, dass über gemeinsames Tun unterschiedliche Herkünfte, Bildungsstandard etc. keine so wichtige Rolle mehr spielen, weil man sich ganz anders erlebt.
Felizitas: Wie kam es denn, dass das Thema „Genossenschaften“ wieder aufkam? Genossenschaften sind ja eigentlich eher was Altes, auch eher Verstaubtes.
Heike: Mitte der 80er ist ja ganz viel in Bewegung gekommen, in Hamburg und überall. Im Widerstand vorallem gegen den Leerstand und Abriss von Gründerzeitbeständen. Da kam auch das genossen-schaftliche Thema neu auf. Meine unmittelbare Verbindung zu Genossenschaften kam bei meiner Rück-kehr aus den USA zustande. 1991 wurde ich Geschäftsführerin der Frauengenossenschaft WeiberWirtschaft. Die hatte sich 1989 gegründet, um einen Frauen-Gewerbehof zu etablieren. Ich bin genau in die spannende Zeit nach dem Mauerfall dazu gekommen. Meine Hauptaufgabe war es, ein Objekt zu finden, in dem wir diese Genossenschaft realisieren können.
Felizitas: Ihr hattet noch keine Immobilie, wart aber schon gegründet?
Heike: Ja, wir wollten Büros, Werkstätten und ähnliches für Frauen-Startups zur Verfügung stellen. Das wurde aus einem Forschungsprojekt heraus entwickelt. In den Gremien waren erstmal Frauen aus dem Wirtschafts- und Forschungsbereich (Wissenschaftszentrum Berlin und Hochschule). Sie hatten festgestellt, dass Frauen Unterstützung brauchen, dass es Strukturen braucht, in denen sich Frauen selbstständig machen können. Es war ein sehr spannendes Jahr für mich! 1992 entschloss ich mich
dennoch nach München zu ziehen, meinem Liebsten Thomas Hartmann hinterher, der aus München stammte und nicht mehr nach Berlin zurück wollte. Das war natürlich ein bisschen schmerzhaft, vorallem, da – kaum dass ich weg war – tatsächlich ein Gebäude für die WeiberWirtschaft gefunden wurde, und zwar ausgerechnet die ehemalige VEB Kosmetik!!
Das Projekt ist zustande gekommen – natürlich mit viel Förderung von Bund und vom Land. Es wird immer noch abbezahlt, aber die WeiberWirtschaft lebt und ist beispielgebend für andere Projekte in Hannover oder in Bremen. Natürlich bin ich immer noch Mitfrau.
Felizitas: Und wie ging es dann hier in München für dich weiter?
Heike : Als ich nach München kam, waren schon erste Überlegungen für die Gründung eines Wohn-projekts im Gespräch. Schnell bildete sich eine Initiative, zu der neben Peter Schmidt u.a. auch Christian Stupka dazu stieß. Wir haben ein Jahr lang überlegt, wie kann das gehen, wo, mit wem und so weiter. Thomas hat zwei Semester in Zürich studiert und kannte daher die Wogeno Zürich. Auf dem Weg in einen gemeinsamen Skiurlaub sind wir dort vorbeigefahren, haben uns alles angeschaut und festgestellt: Das ist genau das Konzept, das wir brauchen! Denn in unserer kleinen Wohnprojekt Gruppe gab es sehr unterschiedliche Vorstellungen, über den Standort und die Rechtsform. Das ging nicht leicht unter einen Hut. Und Genossenschaft war das passende Modell, um zu sagen: Wir gehen von vornherein davon aus, dass wir mehrere Projekte machen, damit alle ihr Plätzchen finden können. Wir haben uns dann letztlich für das Konzept der Wogeno Zürich entschieden und Peter Schmidt hat eine Satzung geschrieben.
Es ist mir wichtig zu sagen, dass wir uns von Anfang an als eine politische Organisation verstanden haben. Wir hatten damals den Eindruck, dass München das braucht. Die Genossenschaft hat einfach die richtige Struktur, die richtige Rechtsform, um praktisch solidarisch voranzugehen. Wir waren auch immer sehr pragmatisch unterwegs, nicht so sehr auf Selbstverwirklichung hin ausgerichtet.

Felizitas: Wie habt ihr das denn praktisch gemacht, von was habt ihr gelebt?
Heike: Es war ein zentraler Pluspunkte für die Wogeno-Gründung, dass wir drei Gründungsmitglieder, Peter Schmidt, Christian Stupka und ich, Teilzeitstellen hatten und die zweite Hälfte unserer Arbeitszeit in den Aufbau der Genossenschaft stecken konnten. Na ja und wir hatten alle keinen riesigen Lebens-standard, eine kleine Wohnung , noch keine Kinder, kein Auto und keine riesigen Ansprüche, dann geht das eben. Es hat dann ein ganze Weile gedauert, bis sich seit der Gründung 1992 alles so weit entwickelt hat, dass Arbeit für die Wogeno auch mal was bezahlt werden konnte. Damals waren wir die erste junge Initiative in München und haben einen Wohnbund-Kongress in München genutzt, um die Genossenschaft öffentlich zu präsentieren. Dort gab es auch Presse. Und so hatten wir auf den ersten Schwung die ersten 100 Solidar-Mitglieder. Die haben gesagt: “ Das braucht es jetzt endlich auch in München. Wir sind die letzten in der Bundesrepublik in einer größeren Stadt!” Ja, und das hat sich auch über eine relativ lange Zeit dann so gehalten. Ein Stamm von Mitgliedern ohne aktuellen Wohnbedarf war für unsere Eigenkapitalbasis wichtig. Wir haben niemandem versprochen, wann und ob sie jemals eine Wohnung bekommen – immer ganz offensiv, weil wir ja gar nicht wussten, wie es weitergehen kann. Wir waren kurz vorm Einpacken, als es dann mit der Agnesstrasse 1996 doch geklappt hat – das war das erste Projekt – ein Erbauprojekt!

Felizitas: Und wegen der Erbpacht war Eigenkapital nicht so ein Thema?
Heike: Ohne Erbbaurecht wäre es nicht zu finanzieren gewesen, aber die Bewohner:innen wussten ja auch, dass sie mithelfen müssen. Mit ihnen hatten wir die ersten wohnenden Mitglieder und außerdem gab es ja noch ein paar freie Wohnungen für weitere Mitglieder. Ich kann mich auch noch an viele Zeitungsartikel erinnern. Denn wir haben immer versucht, eine gute Öffentlichkeit und zur Politik einen guten Kontakt zu haben. Heute ist das nicht mehr so wichtig. Immer wieder waren wir bei der Verwaltung vorstellig und haben überall Lobbyarbeit gemacht, z. B. bei der damaligen Chefin der HA III, die unseren Vorstellungen sehr skeptisch gegenüber stand. Deshalb mussten wir alles tun, um zu beweisen, dass wir nicht unser schönes Genossenschafts-Nest für ein paar Mittelklässler bauen wollen. So sind wir auch ganz früh mit BISS in Kontakt getreten und mit anderen sozialen Organisationen, um praktisch zu belegen, dass wir tatsächlich unsere Genossenschaft sozial-politisch verantwortlich aufstellen wollen.
Ja, wir haben wirklich dicke Bretter gebohrt … Auf kommunaler Ebene und in der Verwaltung war die Experimentierfreude anderswo viel größer, als in so einer saturierten Stadt wie in München.
Felizitas: Ja, das ist ja das Thema, dass ihr für alle nachfolgenden Genossenschaften diese Vorarbeit bei der Stadt geleistet habt. Die Genossenschaften sind wirklich daran orientiert, der Stadt zu helfen, einen guten Wohnungsbau zu machen. Das waren vor allem die Grünen und die SPD, die ihr bearbeitet habt, oder?
Heike: Dann aber auch die CSU. Genossenschaften sind auch dort unumstritten.
Felizitas: Also, ihr habt von Anfang in allen Richtungen wirklich breite, breite Lobbyarbeit geleistet.
Heike: Ja, wir haben wirklich dicke Bretter gebohrt, weil es in München anders war als z. B. in Berlin oder in NRW mit ihren Leerständen und Hausbesetzungen. Hier dauert der Leerstand max. 1 Tag, wie ich gehört habe. So gab es vonseiten der Stadt nie die Erfordernis, innovative Lösungen zu verfolgen. Auf kommunaler Ebene und in der Verwaltung war die Experimentierfreude anderswo viel größer, als in so einer saturierten Stadt wie in München.
Felizitas: Also die Offenheit, sich auf etwas unkonventionelle, innovative Modelle und Konzepte einzustellen, ist in anderen Städten, in denen es in sich schon ein bisschen offener, turbulenter zugeht, mehr da als in München?
Heike Skok: Ja, absolut. Und deshalb war es sehr mühsam für die ersten Initiativen in München. Für unser Projekt in der Johann-Fichte-Str. haben wir uns mit dem CBF (Club der Behinderten und ihrer Freunde) zusammen getan und so das Grundstück in Schwabing bekommen.

Langsam aber sicher kam allmählich in der Politik und in der Verwaltung an, dass wir tatsächlich nicht nur extravagante Ideen haben, sondern tatsächlich einen größeren Blick auf die Stadt, dass wir Mitgestalter:innen der Stadtgesellschaft sind. Und das, denke ich, hat schon eine wichtige Rolle gespielt bei der Entscheidung, so viele Flächen an Genossenschaften zu vergeben. Auch die Wagnis eG hat dazu beigetragen, die z. B. mit den waghalsig großen Gemeinschaftsflächen am Ackermannbogen, für die kein Investor im Viertel einen müden Cent beigesteuert hat, ein großes wirtschaftliches Risiko eingegangen ist (“Wie kriegen wir das vermietet, wie kriegen wir da die erforderlichen Mieten rein?”)
Felizitas: Welche Hindernisse hattet ihr zu bewältigen, welche Konflikte hattet ihr zu lösen?
Heike: Es sind diese kleinen Sachen im Detail: Ich weiß noch, wie ich weinend im Büro saß, weil ich mit den Tücken der verschiedenen Förderstufen (z. B. “München Modell”) kämpfte, also welche Haushalte in welcher Größe in welche Kategorie fallen usw. Wir kamen alle nicht vom Fach und hatten noch nie vorher geförderten Wohnungsbau gemacht. Die Stadt hat bei dem Projekt in Riem auf einmal gesagt hat, das es so gar nicht ginge, wie ich mir das vorgestellt habe bzw. wie ich meinte, dass es mir zugesagt war. Das musste ich anschließend den künftigen Bewohnerinnen und Bewohnern beibringen. Ich konnte das dann noch heilen, aber es gab immer wieder in diesen Prozessen diese erschütternden Erlebnisse. Wir waren in gewisser Weise auch allein. Darüberhinaus muss man ein ordentliches Konzept ausarbeiten, um zu sehen, an welchem Punkt eine Beteiligung sinnvoll und zielführend ist. Denn es geht ja nicht um irgendeine “Beschäftigung” von Menschen.

Christoph: Dabei geht es in erster Linie um eine transparente Kommunikation. Nach meiner Erfahrung ist es nicht so schlimm, wenn man den Leute sagt, dass wir etwas noch nicht wissen, das sich noch was klärt. Schlecht ist es jedoch, wenn man den Leuten zuerst sagt „hier, kümmert Euch mal um das und das“, wenn ihre Arbeit dann aber keine Relevanz hat und die eigentlichen Entscheidungen woanders getroffen werden. Es ist auch wichtig, dass sich Konfliktpunkte nicht ewig wie ein Kaugummi in die Länge ziehen.
Felizitas: Es ist besser, angesichts der immer komplexeren Vorhaben der Stadt und den engen finanziellen Rahmen ein paar wenige Dinge zu bestimmen, bei denen Beteiligung wirklich sinnvoll ist. Wir haben hier bei uns im Bau nicht wirklich viel Beteiligung gehabt. Unser Schwerpunkt der Partizipation lag bei den Gemeinschaftsräumen; solche Themen können in die Hände der zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner gelegt werden. Dadurch steigen Qualität und Identifikation.
Heike: Ja, du hast recht. Das ist bei uns im Haus im Prinz-Eugen-Park auch so gelaufen; es gibt Arbeits-gruppen, die sich z. B. mit der Einrichtung der Gemeinschaftsräume beschäftigen. Das ist einfach realistisch.
Christoph: Wir hatten hier anfangs die Frage: Was für ein Charakter hat so ein Gebäude? Uns war hier sehr wichtig, dass in der attraktiven Mitte das Gemeinschaftshaus mit Gemeinschaftsraum, Werkstatt, Apparte-ments, Computer Lounge liegt, also an unserer Premium Stelle und nicht im hintersten Eck. Und das kann man ja schon diskutieren: Wollt ihr dem Thema Gemeinschaftlichkeit einen hohen Wert geben? Oder ist das nur ein Randthema. Also, Hauptsache meine Wohnung ist toll und schön und groß und liegt an der schönsten Ecke oder ist die schönste Stelle die für unsere Gemeinschaftsräume?
Felizitas: Ich meine auch, dass man so etwas von der Genossenschaft mehr oder weniger vorgeben kann oder sollte. Denn darin liegt ja auch die Qualität des Wohnens in einer Genossenschaft. Wir haben dann auch die Leute, die das schätzen.
Nochmal zu Dir: Du bist ja ganz stark vernetzt.
Wir haben unsere Erfahrungen offengelegt, weil es uns wichtig war und ist, dass es auch andere gibt und dass die Idee, die Projekte verbreitet werden. Und das, denke ich, hat sehr stark die Atmosphäre der guten Kooperation geprägt, die wir ja bis heute unter den Genossenschaften in München haben.
Heike: Das stimmt. Und das hat auch die Atmosphäre hier in München mitgeprägt, unter den Genossenschaften – so wie es das in manchen Städten vielleicht nicht so gibt. Wir haben Wagnis auf dem Weg geholfen, ich habe FrauenWohnen auf dem Weg geholfen. Wir haben unsere Erfahrungen offengelegt, weil es uns wichtig war und ist, dass es auch andere gibt und dass die Idee, die Projekte verbreitet werden. Und das, denke ich, hat sehr stark die Atmosphäre der guten Kooperation geprägt, die wir ja bis heute unter den Genossenschaften in München haben. In der Zwischenzeit sind wir zwar in einer Konkurrenzsituation um die Grundstücke, aber das ändert nichts an der grundsätzlichen Solidarität.
Christoph: Ja, es gibt diese Konkurrenz in der Bewerbung auf die Grundstücke hin, aber nicht in der Lobbyarbeit. Denn vom Ansatz her gibt es keine großen Unterschiede.
Heike: Genau, nur der Anforderungskatalog von der Stadt wird immer gewaltiger und das ist finanziell/wirtschaftlich allmählich schwer darstellbar.
Christoph: Ja, wir als Genossenschaften sind ja privatwirtschaftlich aufgestellt, aber nicht gewinnorientiert. Wir wollen aber mit unseren Bewohnerinnen und Bewohner nicht ins Risiko gehen müssen. Von der Stadt bekommen wir aber zwischenzeitlich ein Korsett umgelegt, da die Auflagen so viele sind. Da fragt man sich, warum die Stadt diesen offensichtlichen Bedarf nicht mit ihren städtischen Gesellschaften selber abdeckt. Wir als sehr gemeinwohlorientierte Genossenschaften müssen entsprechende Freiräume bekommen.
Heike: Wir als Mitbauzentrale hatten schon vor einem halben Jahr einen eigenen Brief an die Stadt ge-schrieben, es gab Briefe von der GIMA und es gab auch schon Gespräche mit der Frau Prof. Merk usw. Ja, all diese Sachen sind schon gelaufen, kurz vor Weihnachten ist dann dieses Sammel-Schreiben raus, das alle Genossenschaften unterschrieben haben.
Christoph: Das ist toll, dass alle unterschrieben haben. Diese Botschaft zeigt ja wirklich, dass alle geschlossen dahinter stehen.
Heike: Aber dennoch scheint das keine Wirkung zu haben. Soweit wir wissen, muss in die Aus-schreibungsunterlagen für die Bayernkaserne alles reingeschrieben werden, was vom Stadtrat beschlossen wurde. Es ist da eine Grenze an Machbarkeit überschritten. Wir von der Mitbauzentrale sagen schon sehr lange, dass die Stadt von diese Pseudo-Konzeptausschreibung mit den vielen Häkchen und Forderungen lassen muss. Es muss einen Spielraum geben. Zum Beispiel steht in dem Schreiben auch, dass diese Mietpreis Reduzierung im KMB-Bereich so viele Punkte bekommt. Das geht überhaupt nicht. Es sollte eine ernstzunehmend Konkurrenz zwischen den Genossenschaften bezüglich ihrer Schwerpunkte geben, also dass jede Genossenschaft ihre Konzeptbausteine selber aussuchen kann, aber kein Preiskampf. Das Blöde ist, dass es in München keine Jury gibt, sondern dass die Verwaltung entscheidet. Das ist einfach schade.
Christoph: Es gibt keine kreativen Spielräume. Gerade diese Mietpreis Geschichte setzt die falschen Signale, da wir dann die Einlagen erhöhen müssen. Das sind aber falsche Anreize, da das Angebot dann nur noch für die Reichen ist. Aber wir haben hier einen Wohnungsmangel für breite Bevölkerungsschichten, denn die Leute ziehen in die Städte. Wenn du das gestalten willst, dann muss es über andere Mechanismen gehen als über diese Mietpreis-Komponente.
Heike: Ja, das steht auch ganz deutlich in dem Schreiben, dass das einesoziale Schieflage befördert.
Felizitas: Ganz herzlichen Dank für Deine Zeit – es ist eine echte Kostbarkeit, mit dir in diesem offen und vertraungsvollen Austausch zu stehen und so an deinem gewaltigen Erfahrungsschatz teilhaben zu können!
