Interview mit Progeno-Vorständin Lena Krahl
Lohnt es sich als Genossenschaft in München noch, sich auf Grundstücke zu bewerben und was sind die aktuellen Herausforderungen? Claudius Wolfrum im Gespräch mit unserer Vorständin Lena Krahl.

Wir haben vor wenigen Tagen unser siebenjähriges Gründungsjubiläum gehabt und ich bin immer noch begeistert, dass wir damals so kurz nach der Gründung schon ein Grundstück von der Landeshauptstadt München bekommen haben. Manchmal denke ich, dass diese Schnelligkeit uns etwas euphorisch für die Zukunft gemacht. Wie siehst Du das?
Lena: Im Prinz-Eugen-Park muss ich sagen, da ist es ja super gelaufen, das ist Wahnsinn. Wenn ich jetzt in diesen Meetings sitze, da sind einige Genossenschaften, die sich auch 2015 gegründet haben und noch gar nicht gebaut haben. Also von daher können wir wirklich stolz sein, dass wir hier im Prinz-Eugen-Park ein Grundstück bekommen haben und auch in Freiham sogar zwei! Jetzt haben wir bald 150 Wohnungen im Bestand.
Die Progeno hat sich inzwischen für weitere Grundstücke beworben. Was hat sich bei den Ausschreibungen verändert?
Lena: Bei den letzten Ausschreibungen ist die Stadt etwas von der Konzeptvergabe abgerückt und hat das Nutzungsentgelt für die frei finanzierten Wohnungen stärker bewertet. Im Kreativquartier und in der Henschelstraße hätte uns die volle Punktzahl beim Konzept nicht gereicht, um zu gewinnen. Die Punktzahl für den Mietpreis für KMB-Wohnungen war so hoch, dass man nur mit „Dumping-Mieten“ gewonnen hätte. Diese niedrigen Mieten führen dann dazu, dass wir eine sehr hohe Einlage von den Genossen fordern müssten. Diese Herangehensweise der Stadt war sicherlich ein Irrweg, den die Verwaltung inzwischen auch verstanden hat.
Jetzt ist dieser Punkt wahrscheinlich in der Bayernkaserne nicht mehr so ausschlaggebend. Im Moment sind wir deshalb dabei ein Konzept zu erarbeiten, wir haben uns da auch externe Beratung geholt. Bei diesen Gesprächen hat die Beraterin uns geraten, doch die vorhandenen Konzept-Bausteine im Prinz-Eugen-Park und in Freiham offensiver darzustellen.
„Wir müssen besser erklären, wie wir unser gemeinsames Leben in der Selbstverwaltung gestalten. Das hebt uns von vielen anderen Genossenschaften ab.“
Was meint die Beraterin da?
Lena: Wir müssen besser erklären, wie wir hier im Prinz-Eugen-Park unser gemeinsames Leben schon gestalten. Ein großes Merkmal ist da die Selbstverwaltung. Wir müssen zum Beispiel beschreiben, wie wir die Räume hier bespielen und dass wir einen Verein gegründet haben. Oder, dass wir bis auf den Winterdienst und ein paar gesetzlich vorgeschriebene Wartungen alles ehrenamtlich umsetzen. Das ist wirklich etwas Besonderes und hebt uns auch von vielen Genossenschaften ab. Das Konzept mit der Selbstverwaltung haben wir jetzt auch in Freiham schon begonnen, so dass die Vorgänge beim Einzug im Herbst dann bestimmt gleich gut funktionieren.
Gibt es bei der Bayernkaserne jetzt andere Herausforderungen in der Ausschreibung?
Lena: Ja, wir müssen 28 Auswahlkriterien ankreuzen, damit wir eine Chance haben und dann kommt erst das inhaltliche Konzept.
Was sind das für Kriterien, die man ankreuzen muss?
Lena: Wir verpflichten uns die Hälfte der Dachfläche mit einer PV-Anlage zu belegen; wir müssen ein KfW 40-Haus Standard errichten oder mit Recyclingbeton bauen. Das ist sicherlich zum Teil sinnvoll, das sind aber auch Kostentreiber. Ganz aktuell kommt dann für uns noch die Unsicherheit bezüglicher der KfW-Darlehen dazu, die überraschend im Februar von der Bundesregierung gestoppt wurden. Im Moment gibt es noch kein Nachfolge-Programm bei der KfW, das erschwert uns eine Kalkulation mit fixen Werten.
Noch ein Beispiel: Früher war es ein Konzeptbaustein Gemeinschaftsräume zu haben, jetzt ist das fast schon eine Grundvoraussetzung für eine Bewerbung. Die neueste Idee war jetzt, dass wir 40 Prozent der KMB-Wohnungen an Menschen vergeben müssen, die in Berufen der Daseinsfürsorge arbeiten. Das klingt erst einmal sehr sinnvoll und charmant. Aber viele „normale Leute“ in diesen Berufen, ich meine jetzt nicht den Chefarzt im Krankenhaus, würden sich wohl eher im Bereich des München Modells befinden.
Ein weiterer Kostentreiber für uns ist der Architektenwettbewerb, den wir machen müssen. Das ist für uns natürlich kostspielig und sehr zeitaufwändig. Wir können wahrscheinlich drei Architekturbüros auswählen, die dann einen Entwurf machen. Zusammen mit einer städtischen Jury wird dann der Gewinnerentwurf ausgewählt. Ich glaube aber nicht, dass wir deshalb zwingend eine bessere Architektur bekommen, wie wenn wir selbst ein Architekturbüro auswählen würden.
Kürzlich haben 20 Genossenschaften einen langen Brief an die Stadtpolitik geschrieben, in dem wir mitgeteilt haben, dass sich die Genossenschaften nicht auf Grundstücke in der Bayernkaserne bewerben können, weil die Rahmenbedingungen keine wirtschaftliche Umsetzung zu lassen. Wie ist es da jetzt weitergegangen?
Lena: Das ist jetzt der gleiche Vorgang wie in Freiham, auch da haben alle Genossenschaften gemeinsam an die Stadt geschrieben, dass die Ausschreibungen so nicht funktionieren. Es gab inzwischen Gespräche mit Vertretern der Stadt, in denen wir unsere Schmerzpunkte erläutern konnten. Die Vertreter der Stadt haben signalisiert, dass wir gemeinsame Lösungen finden werden. Die wissen natürlich auch, dass Genossenschaften für jedes Quartier ein Mehrwert und Gewinn sind. So ist das ehrenamtliche Engagement bei Genossenschaften für das Viertel oft sehr ausgeprägt.
Jetzt frage ich mal etwas provokativ: Hat die Stadt nichts dazugelernt?
Lena: Das kann man sich in der Tat fragen. Die Stadt hat sicherlich immer einen guten Ansatz bei diesen Projekten, aber sie haben ihn vielleicht nicht immer bis zum Ende durchgedacht. Sicherlich ist ein niedriges Nutzungsentgelt ein guter Ansatz, aber wie sollen wir hier einen Preiskampf bei den gestiegenen Baukosten und den Sonderwünschen der Stadt finanziell darstellen? Da würde ich mir in der Verwaltung ein internes Warnsystem wünschen, wenn Ausschreibungen verfasst werden.
Die Verhandlungen mit der Stadt über die Kosten sind oft schwierig, da wir ja kein Bauträger sind, der die Mehrkosten einfach auf den Verkaufspreis für die Wohnungen umlegen kann.
Wir müssen in der Politik, aber auch in der Öffentlichkeit, immer wieder das genossenschaftliche Modell der Teilhabe erklären. Uns geht es ja nicht darum, dass wir große Renditen mit den Gebäuden erwirtschaften. Wir schaffen bezahlbaren Wohnraum für das gesamte Spektrum unserer Bevölkerung.

Da wünsche ich mir manchmal, dass die Vertreter der Stadt ein besseres Gefühl bekommen, dass wir das Geld erwirtschaften müssen, dass wir in die Bebauung stecken.
Lena: Was auch immer wieder in den Verhandlungen mit der Stadt auffällt, ist, dass die verschiedenen beteiligten Abteilungen beziehungsweise Referate oft gar nicht wissen, was die anderen in der Verwaltung machen. Oder Kriterien gefordert werden, wie zum Beispiel die Vermietung von Wohneinheiten an einen sozialen Träger, die steuerliche Auswirkungen auf eine Genossenschaft haben könnten. Das kann sogar dazu führen, dass die Genossenschaft durch diese Vermietung steuerpflichtig wird. Da müssen wir gemeinsam mit der Mitbauzentrale immer wieder zu Gesprächen einladen und die Hintergründe erläutern.
Was passiert denn in der Bayernkaserne mit den Erdgeschoss-Flächen?
Lena: In der Bayernkaserne sollen viele EG-Zonen in den Gebäuden mit Gewerbeeinheiten bestückt werden. Auch hier weichen bis jetzt die Vorstellungen der Stadt über eine Preisgestaltung stark von den realistisch-umsetzbaren Tatsachen ab. Bei dem Grundstück, für das wir uns gemeinsam mit einer anderen Genossenschaft bewerben, haben wir ca. 300 m² Gewerbefläche, die wir beplanen müssen. Also ungefähr das Dreifache der Fläche unseres Gemeinschaftsraums hier im Prinz-Eugen-Park.
Hast Du da schon Vorstellungen zur Nutzung?
Lena: Das ist natürlich nicht ganz einfach, weil es ja in allen Gebäuden solche Gewerbeflächen gibt. Und kein Viertel braucht fünf Fahrradreparaturwerkstätten.
Wie siehst Du grundsätzlich das Image der Genossenschaften in der Stadt?
Lena: Wir haben sowohl in der Stadtpolitik wie auch in der Verwaltung ein hohes Ansehen. Das sieht man auch ganz aktuell am Projekt im Eggarten. Das ist ja kein städtisches Grundstück, es war aber eine städtische Vorgabe, dass die Bebauung zum Teil durch Genossenschaften erstellt werden muss. Ein Wehrmutstropfen ist aber, dass es immer noch keinen verabschiedeten Bebauungsplan gibt und wir gar nicht wissen, wann es los gehen kann. Insgesamt soll das ganze Projekt ein Musterquartier werden, in dem zum Beispiel neue Wege bei der lokalen Energieversorgung oder bei der lokalen Speicherung von Niederschlägen unter dem Begriff „Schwammstadt“ umgesetzt werden sollen. Leider sind aber auch hier wieder sehr viele unterschiedliche Abteilungen in der Stadtverwaltung beteiligt, was den Entscheidungsprozess ziemlich in die Länge zieht. Hier müssten dringend die Prozesse in der Verwaltung beschleunigt werden, dass man nicht ein halbes Jahr über ein Thema spricht.
Bräuchte man da vielleicht einen referatsübergreifenden Projektmanager, der die Prozesse steuert und beschleunigt?
Lena: Das wäre sicherlich eine interessante Idee, wird aber wahrscheinlich sehr schwierig in der Umsetzung sein.
Gibt es inzwischen zu viele Genossenschaften in München?
Lena: Grundsätzlich nein. Es ist verständlich, dass sich Baugemeinschaften, an welche die Stadt keine Grundstücke mehr vergibt, dann als Genossenschaften gründen. Ich sehe es aber kritisch, wenn es immer mehr Genossenschaften gibt, weil natürlich auch die Frustration steigt, wenn immer mehr bei den Ausschreibungen nicht zum Zuge kommen.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass beim ehrenamtlichen Engagement hier im Prinz-Eugen-Park eine gewisse Ermüdung eingetreten ist.
Lena: Das ist sicherlich vor allem auf die zweijährige Pandemie zurückzuführen, in der auch der gemeinsame Kontakt und die gemeinsame Arbeit eingeschränkt waren. Ich bin mir aber sicher, dass wir da dieses Jahr wieder gut durchstarten werden.
