„Mehr als deins und meins“

Wie denken wir eigentlich über Eigentum?

Kristina Weber, Bewohnerin im Prinz-Eugen-Park, gibt uns Einblick in ihre Beobachtungen am Progeno-Dorfplatz, die sie zu allerlei Fragen anregen.

Stell dir vor, du sitzt am Sandkasten! Dir gegenüber spielt ein Kleinkind mit seinem geliebten Bagger. Es hat den Bagger von zuhause mitgebracht, die Eltern sitzen am Rand, spielen aber gerade nicht mit. Ein Vater mit einem weiteren Kleinkind kommt dazu. Das Kind klettert in den Sandkasten. Es sieht sich um. Dir ist schon klar, gleich wird es nach dem Bagger greifen. Du denkst bei dir: „Spannend, wie wird das wohl ausgehen?!“ Mit der gleichen Spannung könnten wir auf unseren Progeno-Dorfplatz blicken, unseren Hof und unser Gemeinschaftseigentum, das von anderen mitbenutzt werden kann.

Szene am Sandkasten (Foto: Kristina Weber)


Im Sandkasten gibt es jetzt je nach (Erziehungs-)Philosophie, Charakter der Kinder und der Eltern ziemlich viele Möglichkeiten, wie sich die Situation entwickelt könnte. Schließlich geht es um das Eigentum des ersten Kindes. Eigentlich gibt es ja auch keinen Grund, den Bagger zu teilen. Die Eltern haben ihn gekauft, das Kind hat gerade Spaß mit dem Bagger. Es will den Bagger nicht einfach so aufgeben oder teilen. Das andere Kind aber hat noch nicht gelernt, Dinge nur zu beneiden und nicht gleich benutzen zu wollen. Die Kinder beginnen am Bagger zu zerren, eines schreit, eines weint. „Meins“, ruft das eine Kind. „Meins“, das andere. Die Eltern mischen sich ein: „Ihr könnt doch gemeinsam spielen!“ „Wechselt euch doch ab!“ „Nein, wir nehmen anderen nicht einfach so das Spielzeug weg!“ „Er/Sie muss aber doch auch teilen lernen.“

Teilen – wie geht das?

Interessant, dieser Gedanke, oder? Wir sollen teilen lernen! Dabei zeigt uns die Gesellschaft doch spätestens nach den Kleinkindjahren, wie wichtig es ist, etwas zu haben – Eigentum zu besitzen. Eigentum wertet uns als Individuum auf. Das coole Rad, die Marken-Jeans, diese Konsole, jenes Auto, dieser Kinderwagen und schließlich, die Krönung: das hart erarbeitete Wohneigentum. Für viele ist da ein Traum erfüllt, ein eigenes Häuschen, vielleicht sogar mit Garten. Dort im Sandkasten besteht auch keine Gefahr mehr, teilen zu müssen, weder für Kinder noch für Eltern. Laden wir dorthin Leute ein, geschieht das zu unseren Bedingungen. Sie können unsere Dinge benutzen, auf unseren Gartenstühlen unter unserem Sonnenschirm sitzen. Aber die Eigentumsverhältnisse sind ganz klar. Und will man nicht teilen, lädt man einfach niemanden ein. Meins, deins, unsers. Anders ist das im Hof der „Progeno“ – und wahrscheinlich auch in anderen Höfen des Prinz-Eugen-Parks. Wobei – eigentlich ist es doch auch in diesem Fall ganz klar. Die Höfe sind Privatgelände, alles darin gehört der Genossenschaft. Aber die Genossenschaft, die ist nicht eine Person, eine Familie. Die ist viele. Die Sonnenschirme? „Unsere“. Die Sitzgruppe? „Unsere“. Das Spielgerät? „Unsers“. Dieses „Unsers“ hält Einiges aus. Während die einen sich mehr verantwortlich fühlen, Dinge anschaffen, pflegen – benutzen andere sie nur.

Wir haben jetzt ein gemeinsames „Meins“ – sozusagen eine gemeinsame „Eigentums-Tradition“

Ein bisschen wie das Kind, das mit dem Bagger spielt. Es hat ihn nicht gekauft und nicht mit zum Spielplatz gebracht. Trotzdem fühlt es: „Meins“. Dass wir das als Gemeinschaft aushalten, darauf können wir stolz sein. Wir haben jetzt ein gemeinsames „Meins“.
Doch noch etwas macht diese Situation spannend und manchmal schwierig. Dieser, unser Hof ist kein Garten! Er hat keinen Zaun, ist nicht abgeschieden hinter hohen Hecken. Er ist offen und er ist geteilt mit noch einem gemeinschaftlichen „meins“, dem der „Wagnis“ nämlich. Das klappt gut, man hat sich gefunden, es gibt Regeln, kommunizierte und unausgesprochene – sozusagen eine gemeinsame „Eigentums-Tradition“. Noch ein Grund, stolz zu sein!

Das gemeinsame „Meins“ – wie entsteht das?

„Wir haben teilen gelernt!“ könnten wir jetzt also berichten – doch halt! Bisher teilen wir nur unter uns unser „meins“. Unser Eigentum. Unseren Bagger! Den benutzen wir gemeinsam. Wer jetzt genervt ist von der Analogie: Genauso läuft es in unserem Hof. Das Sandspielzeug wird gemeinsam benutzt, wandert zwischen „Wagnis“ und „Progeno“-Sandkasten hin und her. „Progenos“ und „Progenas“ sitzen auf den Bänken der „Wagnis“, man trinkt gemeinsam Kaffee, in den Gemeinschaftsräumen spielen Kinder beider Gemeinschaften zusammen. Natürlich ist nicht alles „unsers“. Die Sache mit dem Eigentum ist nicht abgeschafft und manch einer hat auch noch ein kleines eigenes „meins“ zusätzlich, einen Bagger, der nur ihm gehört – damit er nicht verloren geht.
Denn manchmal, da scheint das mit dem gemeinsamen „meins“ nicht zu klappen. Sandspielzeug verschwindet, ein Stuhl ist kaputt, was ist passiert?! Müll am Sandkasten und im Hof. Wer hat die Sitzgruppe verschoben und den Tisch so hinterlassen? Ein fremdes Kind spielt allein im Gemeinschaftsraum! Ein Picknick in unserem Hof – aber keine Bewohner*innen weit und breit! Jemand hat einen Sonnenschirm aufgespannt und dabei fast kaputtgemacht. Wer hat von meinem Tellerchen gegessen? Unser Hof ist kein Garten hinter Hecken.

Offen für alle – funktioniert das?

Der Hof ist – wie gesagt – kein Garten hinter Hecken oder sieben Bergen. Er ist offen für alle – manchmal gilt das sogar für die Tür zum Gemeinschaftsraum. Die Spielgeräte locken, die Ruhe und der grüne Hof. Der große Sandkasten mit der gemütlichen Bank. Nicht nur Kinder kommen und greifen sich „unsere“ Bagger. Nein, auch Erwachsene halten ihr Gesicht auf der Gemeinschaftsterrasse in die Sonne. Und manchmal machen sie mehr als das, sie halten sich nicht an die unausgesprochenen Regeln, die für uns „selbstverständlich“ sind. Gehen nicht sorgsam mit den Dingen um. Verstehen nicht, was hier „meins“ ist und was „deins“.

Statt andere auszusperren, könnten wir sie einladen und erklären, wie „meins“ bei uns funktioniert

Dann fühle ich mich wie das Kind mit dem Bagger. Ich will nicht teilen! Und eigentlich gibt es auch gar keinen Grund dafür. Dieser Hof ist unser Eigentum mit allem, was darin ist. Wir haben ihn bezahlt. Wir könnten andere aussperren, wegschicken, „meins“ rufen. Nun denke ich an die Kinder und den Bagger, und auch daran, wie gut es unter uns und mit der „Wagnis“ funktioniert zu teilen – kommt mir ein Gedanke: Es macht einfach mehr Spaß, gemeinsam zu spielen! Natürlich braucht es dazu Regeln. Vielleicht können wir die aber besser kommunizieren, unser „meins“ transparent machen. Statt andere auszusperren, könnten wir sie einladen und erklären, wie „meins“ bei uns funktioniert. Wie das gehen soll? Dazu würde ich mich gern mit euch austauschen!
Das Kind hat den Bagger übrigens nicht abgegeben und auch nicht geteilt. Es war noch nicht so weit. Das andere Kind ist mit seinem Papa weitergezogen. Er hat erklärt, zuhause hätte das Kind auch einen Bagger. Schade eigentlich!

Kristina Weber

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