„Miteinander wohnen, nicht nebeneinander!“

Eine Verabredung zu einem generationenübergreifenden Gespräch

Diesmal ist Claudia Hautkappe zu Gast bei Viktoria Berova und Thomas Crusciel auf WA4 Mitte / 2. Stock; Joanna Crusciel, die Mutter, wohnt auf WA9 Nord – auch im 2. Stock.

Gerade sind die Freunde aus Magdeburg abgereist, und ich bekam noch eine Wohnungsführung. Nach ein bisschen Techniktests, drücken wir endlich den Aufnahmeknopf: Ihr Lieben, wir legen jetzt einfach los. Die Frage war: Gab es Synergien, weil ihr fast gleichzeitig in zwei verschiedene Wohnungen – wenn auch in Laufnähe – gezogen seid? Oder war das eher stressig, weil ihr – Thomas und Joanna – in der gleichen Wohnung gelebt habt?

Thomas: Unsere Wohnblöcke wurden zu unterschiedlichen Zeiten fertig. Das war auf jeden Fall sehr gut für mich. Dadurch konnte ich mehr oder weniger stressfrei jedes Wochenende ein paar Sachen aus der Wohnung nehmen und in die neue Wohnung tragen. Und in der Planungsphase war es praktisch, dass wir uns aufteilen konnten zu den Baugruppentreffen. Die Pläne dagegen überprüften wir gemeinsam. Da sind dann auch Sachen aufgefallen.

Viktoriya: Vorteilhaft war, dass Joanna ein bisschen früher (der Progeno) beigetreten ist als wir. Sie wusste dann schon alles, was die Dokumente betrifft, wie man sie ausfüllen, was man abgeben muss. Damit hat sie uns geholfen.

Thomas: Aber die Pläne – ich glaube, meine Mutter war mit den Plänen manchmal überfordert. Da konnten wir Sachen erklären.

Joanna: Ganz am Anfang mit all diesen Formularen zur Beantragung des Kredits – da wusste ich schon Bescheid und konnte den Kindern helfen. Aber später mit dem Plan meiner Wohnung – ich habe da nicht so ein Vorstellungsvermögen – da hat mir Viktoriya geholfen, den besser zu verstehen. Und diesen zeitlichen Versatz fand ich auch gut, denn gleichzeitig wäre das eine Katastrophe geworden. Das war schon eh sehr stressig, weil irgendwie alle in unseren Familien gerade im Umzug waren. Deine Mutter Juli, Viktoriya, dann Alexander, mein älterer Sohn, der ist auch im Dezember umgezogen. Thomas und ich waren richtig fix und fertig. Gut fand ich, als wir hier schon alle wohnten, dass immer jemand da war, um zu helfen, wegen der kurzen Wege. Die drei Monate, in denen ich noch draußen gewohnt habe, fand ich persönlich anstrengend. Ich war es gewohnt, dass Thomas da war und spontan helfen konnte. Und als er dann nicht mehr bei mir wohnte, musste man koordinieren und Termine ausmachen.

Also ist es gut, dass ihr jetzt doch nur ein paar Hundert Meter auseinander wohnt?

Joanna: Ja, ja, da fühle ich mich ein bisschen ruhiger und entspannter.

Was ich grundsätzlich fragen wollte: Wo kommt ihr her, was macht ihr beruflich?

Viktoriya: Okay, ich fange mal an: Ich bin in der Ukraine geboren. Mit drei Jahren bin ich mit meiner Familie nach München gezogen, und im Münchner Norden aufgewachsen. Ich habe Chemie-Ingenieurwesen an der TUM studiert und schreibe derzeit eine Doktor arbeit. Ich arbeite bei einem Unternehmen, dass Brennstoffzellensysteme herstellt und entwickle dort Katalysatoren für Brennstoff zellen.

Und du, Thomas?

Thomas: Also ich bin in München geboren. Die Eltern sind in den 90er Jahren oder in den 80er Jahren aus Polen…

Joanna: Hm, 90er? Ne, 80er!

Thomas: Danke für die Wiederholungung! (Lachen) Ich bin also nach Deutschland gekommen, bin hier in München zur Schule gegangen und habe dann hier Bioprozesstechnik studiert.

Viktoriya: Wir waren an derselben Uni. Aber er war ein paar Jahrgänge über mir.

Thomas: Ich bin jetzt in der Pharmabranche gelandet und stelle Antikörper her mit genetisch modifizierten Zellen.

Hat das was zu tun mit CRISPR oder mRNA?

Thomas: Auch, das sind auch Arzneimittel, die bio technologisch hergestellt werden.

Toll, ihr habt ja beide sehr zukunftsweisende Berufe! Jetzt zu dir, Joanna!

Joanna: Ich bin in Polen geboren und mit 21 nach Deutschland gekommen – also in den 80ern – noch vor der Wende. In Polen habe ich Pädagogik studiert. Leider hat man das in Deutschland nicht anerkannt. Ich habe dann eine Umschulung zur Datenverarbeitungskauffrau gemacht und arbeite seitdem bei einem Unternehmen, das Erwachsene schult, also Fortbildungen, Umschulungen und solche Sachen. Ich habe zwei Söhne, Alexander und Thomas, und bin seit sieben Monaten Oma!

Ach ja, stimmt – letzthin hast du davon erzählt, wie begeistert du bist.
Was mögt ihr sonst noch? Was bringt ihr mit?

Viktoriya: Meine große Leidenschaft ist das Tanzen. Ich habe früher viel Ballett getanzt, habe auch andere Tanzarten gern. Ich mache auch viel Sport, bin sehr aktiv in Yoga, Pilates… Ab und zu gehen wir in der Boulderhalle klettern.

Thomas: Wir haben ja ähnliche Hobbys, Sport usw. Wir versuchen, uns öfter mal mit Freunden zu treffen. Das Problem ist tatsächlich die Zeit. Ich arbeite nicht in München, sondern in Biberach. Da habe ich auch eine zweite kleine Wohnung – bin also unter der Woche eigentlich nicht hier. Deswegen sind die Wochenenden immer zu kurz, weil man dann viele Sachen plant und irgendwie bleibt keine Zeit, sich dann bei der Progeno so richtig zu involvieren.

Was heißt momentan – ändert sich das absehbar? Bewirbst du dich?

Thomas: Genau, ich bin schon auf der Suche, bewerbe mich bei Arbeitgebern hier in München. Schauen wir mal, wann es klappt. Das ist auf jeden Fall Prio 1 bei mir. Hm, was bringe ich mit?

Viktoriya: Auf jeden Fall ein gutes Verständnis für Fahrräder. Thomas schraubt sehr gerne an Fahrrädern rum und interessiert sich für die Shared Fahrräder.

Thomas: Ich bin auch mitverantwortlich für unsere Leih-E-Bikes.

Habt ihr ein Auto?

Thomas: Ja, das sharen wir.

Zu dritt? Dann habt ihr sicher einen Stellplatz – seid also quasi wunschlos glücklich. (Lachen)
Habt ihr darüber hinaus Ideen oder Wünsche, was ihr bei der Progeno einbringen könntet ?

Joanna: Also, ja, von meinen Hobbys steht auch Tanzen tatsächlich an erster Stelle. Ich habe Ballett getanzt, in Polen, als ich noch sehr jung war. Grundsätzlich tanze ich zweimal in der Woche Standard in einer Tanzschule und am Wochenende bin ich auf Tanzpartys. Das macht mir richtig Spaß – da kann ich mich gut auspowern! Dann interessiert mich noch Lesen, Fahrradfahren, Freunde treffen.

Wo ich euch so höre: Hat eine von euch darüber nach gedacht, eine Gruppe zu gründen? Oder gibt es da schon irgendwas? Yoga, Pilates, Freier Tanz, Linedance?

Joanna: Bei der GWG soll Pilates und Yoga angeboten werden. Meine Hoffnung ist das Kulturzentrum, das gerade entsteht – mit hoffentlich Tanzpartys und einer Tanzschule.

Es gibt hier ja auch den Quartiersgarten. Wart ihr da schon mal? Die suchen immer auch »Paten«, die zum Beispiel im Sommer gießen.

Joanna: Ja, das gibt es hier bei der Progeno auch, also ein Stück Erde, das unter den Leuten, die das machen möchten, aufgeteilt wird, also für jeden eine Art Parzelle.

Habt ihr schon eine Vision, wie das Leben in Zukunft hier mal ausschauen könnte, wenn dann alles funktioniert?

Viktoriya: Meine Zukunftversion ist, mit der Ubahn in die Arbeit zu fahren und nach der Arbeit einen Yoga- oder Tanzkurs für Fortgeschrittene im Gemeinschaftsraum zu machen. Am Wochenende vielleicht bei schlechtem Wetter im Atelier gemeinsam mit Nachbarn an seinem Kunstwerk arbeiten und bei gutem Wetter oben auf der Gemeinschaftsterrasse mit den Nachbarn chillen.

Joanna: Ja, da schließe ich mich an. Ich kann mir auch gut vorstellen, mal so ins Atelier zu gehen, sich mit Leuten zu verabreden, die gerne malen oder so – einfach dass man sich dort trifft, gemeinsam Zeit verbringt und währenddessen an seinem Kunstwerk arbeitet.

Thomas: Was das Leben hier in Freiham bei der Progeno betrifft – ich finde zum Beispiel schön, dass man, wenn man irgendwelche Probleme hat, über unsere Kommunikationswege gleich sein Anliegen mitteilen kann. Und dann melden sich die Leute auch gleich und sind bereit, dir zu helfen. Wir hatten zum Beispiel Fragen zur Montage unseres Waschenbecken-Unterschranks. Ich habe das in Rocketchat und an Leute aus dem AK Werkstatt geschrieben und innerhalb von zehn, zwanzig Minuten stand ich im Bad mit drei Nachbarn und wir haben diskutiert – das hat mir sehr geholfen und das fand ich super!

In welchen AK’s seid ihr engagiert?

Viktoriya: Ich mache derzeit beim AK Co-Working mit. Leider habe ich momentan nicht viel Zeit, hoffe aber, das ich nach meiner Doktorarbeit voraussichtlich Ende des Jahres mehr Kapazitäten haben werde. Dann könnte ich mir vorstellen, auch noch beim AK Kreativität mitzumachen.

Joanna: Ich bin im AK Außenanlagen – ich arbeite gerne mit Erde -, aber momentan beschränkt sich unsere Arbeit vor allem darauf, herum liegenden Müll einzusammeln, bis die Gartenarbeiten abgeschlossen sind. Da arbeiten jetzt mittlerweile zehn Personen.

Das Thema Kommunikationswege interessiert mich noch, weil es ist ja zwischen meiner Generation der Babyboomer und euch Jungen Unterschiede gibt. Was ist für euch einfach?

Joanna: Ich benutze zum Beispiel wahnsinnig gerne die Chat-Nachrichten. Wir haben in anderen Gruppen zum Beispiel auch Signal .

Thomas: Wir haben Rocket-Chat, das ist so ein bisschen wie WhatsApp und einfacher als Confluence – da lese ich nur.

Was ist mit der Möglichkeit, dem Nachbarn einen Zettel einzuwerfen, oder gibt es so etwas wie ein schwarzes Brett?

Joanna: In WA9 haben wir sowas – da kann man was aushängen.

Ist das eine gute Option?

Viktoriya: Ja, ich gucke da schon drauf, aber ich schaue auch tatsächlich jeden Tag im Rocket-Chat, was es da Neues gibt.

Joanna: Das habe ich mir auch schon angewöhnt, weil da jeden Tag was Neues ist.

Apropos Neues: Was findet ihr hier überraschend, ungewohnt oder anstrengend?

Joanna: Die S-Bahn ist so was von anstrengend, es gibt viele Störungen, Ausfälle, einfach Unplanbarkeit, Unzuverlässigkeit.

Viktoriya: Ja, das ist so. Wenn es kalt ist, pfeift es dermaße auf dem Bahnsteig, und wenn du Pech hast und der Zug ausgefallen ist, dann stehst du wie ein Depp 20 Minuten. Ich finde das unerträglich.

Was ist noch schwierig außer derAnbindung hier? Was ist mit Geschäften?

Viktoriya: Das ist auch schwierig. Der Lidl an der S-Bahn Freiham ist am Abend immer leer gekauft. Hier hast du gar nichts in Laufnähe. Da muss man eigentlich immer Fahrrad fahren oder mit dem Auto einkaufen gehen.

Thomas: Aber was ganz cool ist: Es hat hier zwei Häuser weiter ein italienisches Café mit Eis und Pizza auf gemacht. Da sind wir wirklich happy – in Laufnähe etwas zu haben, wohin wir zum Trinken oder zum Essen gehen können.

Joanna: Was ich ganz gut finde, ist, dass es sowohl in Aubing als auch in Freiham Supermärkte gibt, denn so kann man nach der Arbeit auf dem Heimweg noch was einkaufen. Aber ein bisschen mehr Angebot wäre schon besser. Das verändert sich hoffentlich.

Viktoriya: Es ist ja schon in Planung, was wir uns für die Zukunft vorstellen: Genügend Einkaufsmöglichkeiten im Quartier. Ich glaube, wir brauchen zwei, drei Jahre Geduld!

Thomas: Vielleicht sollten wir das Arztthema auch noch ansprechen.

Viktoriya: Stimmt! Bei Ärzten kriegt man hier in Aubing gar keine Termine mehr. Als ich krank war, wurde ich von allen Ärzten weiter geschickt… Die haben gesagt, sie nehmen keine neuen Patienten mehr auf. Und dann hab ich außerhalb von München suchen müssen. Und zwar in Germering.

Aber eigentlich hättet ihr ein Auto. Und es gibt ja auch Carsharing., oder?

Viktoriya: Ja stimmt, ich könnte dann mit dem Stattauto fahren. Bei uns in der Tiefgarage gibt es zwei Stattautos. Ich hoffe, dass sie auch bleiben – das hängt bestimmt von der Nutzung ab. Deswegen hoffe ich, dass wir Genossen es viel verwenden. Aber das wird ja nicht nur von uns Genossen verwendet, sondern auch von anderen Anwohnern. Nur wohnen im Moment noch nicht viele hier. Die Stadt München wollte ja eine autoberuhigte Nachbarschaft bauen – da ist Sharing ein sehr wichtiger Konzept-Baustein.

Habt ihr hier schon Menschen kennen gelernt?

Thomas: Auf jeden Fall!

Joanna: Ja, allerdings vorallem welche von der Progeno – also Nachbarn; aber auch noch von der Arbeit Kolleginnen, die in der Nähe wohnen; wir werden uns mal treffen, wenn es wärmer ist.

Viktoriya: Ja, grundsätzlich sind die Nachbarn alle voll nett. Ich kann mir vorstellen, irgendwie mit allen mal etwas zu machen. Ich finde dieses Konzept ganz cool, dass man sich kennt und dass sehr viel drauf Wert gelegt wird, dass man miteinander wohnt, nicht nebeneinander!

Joanna: Beim gemeinschaftlichen Arbeiten kann kann man sich bestimmt besser kennen lernen. Ich finde auch, dass ich super nette Nachbarn habe. Und das ist echt wichtig!

Schönes Schlusswort! Ich danke euch für das Gespräch.

Claudia Hautkappe | Fotos: Sara Savioni

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