Die Musik ist fester Bestandteil von Claudia Rédais Leben, die im PEP Musikstunden gibt. Diese Leidenschaft führte sie auch nach München, wenngleich dort alles anders kam …
Claudia und ich wohnen im PEP Tür an Tür – buchstäblich. Wenn meine ältere Tochter Florentine zum Klavierunterricht bei ihr geht, muss ich sie quasi nur zur Tür hinausschubsen. Wobei – Schubsen, das hört sich ja nach Zwang an! Und das wäre weit gefehlt. Denn meine Tochter liebt den Unterricht bei Claudia. Egal, wie müde sie nach einem langen Kindergartentag ist – für Blockflöte oder Klavier ist es ihr nie zu spät. Und: Bei ihrer Lehrerin scheint das nicht anders zu sein! Da muss es, um im Bild der Musik zu geben, einen Gleichklang zu geben, der mich neugierig machte.

Claudia wurde die Liebe zur Musik vor 40 Jahren in Ungarn praktisch in die Wiege gelegt – vielleicht von ihrer fünf Jahre älteren Schwester, einer hochtalentierten Klavierspielerin, der Claudia schon früh über die Schulter schaute beim Üben. „Die Musik ist wirklich so schön in mein Leben eingeflossen, ganz ungezwungen“, erinnert sie sich. Sie erlebt die große Schwester bei vielen Konzerten, Wettbewerben und Vorstellungen. Eine wichtige Rolle spielt ein großes Kulturzentrum in der Kleinstadt, Sárospatak in der sie damals leben. Schlüsselerlebnis damals: Ein Konzert, in dem alle möglichen Instrumente zum Einsatz kommen, und ihre Mutter sie fragt, welches ihr am besten gefällt, welches sie selbst erlernen möchte. Vielleicht Querflöte? „Und ich habe zu allen Instrumenten gesagt: Nein, nein, nein. Ich war so fest entschlossen: Klavier, Klavier, Klavier.“ Und so kommt es, Claudia beginnt Klavier zu spielen, kommt in die Musikschule des Musikkindergartens, früher als üblich. Einen bleibenden Eindruck hinterlässt der Direktor, der auf spielerische Art und Weise die musikalische Früherziehung macht, Kreistänze und Ballspiele sind auch Bestandteil des Unterrichts. Claudia macht schnell Fortschritte, übt ohne Mühe und nimmt an Wettbewerben teil. Immer auch im Windschatten der erfolgreichen großen Schwester, die vielleicht eine Art Wegbereiterin war. Als Claudia zwölf ist, zieht die Familie nach Budapest, und sie geht ans Béla Bartók Konservatorium für Musik. Im letzten Schuljahr des Konservatoriums wechselt sie zum Cembalo, einem Instrument, bei dem sie ins Schwärmen gerät: „Es ist ein bisschen femininer ein bisschen empfindlicher, wie für meine Seele.“ In Budapest lernt sie auch noch Querflöte, macht aber intensiv Klavierbegleitung.

Von Ungarn nach Deutschland
2006 der Abschluss an der Franz Liszt Universität für Musikkunst – und ein ganz neues Kapitel. Die Liebe tritt in ihr Leben: Ihr späterer Mann Tibor. Die Musik rückt in den Hintergrund, beide wollen zusammen ziehen, ihr Schwiegervater mahnt zur Vorsicht: Die Liebe könnte vergehen, ob sie sich wirklich so ins Leben stürzen wolle … Doch Claudias und Tibors Entschluss steht fest. Sie gehen nach Landshut. Voller Hoffnung, schließlich gibt es dort auch eine Musikschule. Doch die Ernüchterung folgt auf den Fuß. Die Schule hat keinen Bedarf an einer Klavierlehrerin, ist gut bestückt mit frischen Absolventen. Und so beginnt Claudia sich in München zu bewerben – und erlebt wieder eine Enttäuschung. Sie merkt, da muss man sich mit den richtigen Leuten vernetzen oder die Ellenbogen ausfahren. Beides nicht ihr Ding. „Das habe ich alles nicht so drauf gehabt, weil ich einfach wie auf dem Boden anfangen wollte zu keimen und zu wachsen.“ Und weil Pläne machen und Entscheidungen treffen ohnehin nie ihr Ding waren, hatte sich in der Vergangenheit doch immer alles irgendwie gefügt.

„Es kommt immer auch ein Bergteil“
Die Absagen aus München, damals „ein Schlag ins Gesicht“, erinnert sie sich an die bittere Zeit. Auch fühlt sie sich noch nicht sicher genug in der deutschen Sprache. „Ich bin leider Perfektionistin und wollte auch so lange nie Deutsch sprechen, solange ich nicht wirklich die Grammatik einigermaßen beherrsche.“ Nach 23 Jahren ohne Plan, ohne großes Nachdenken „auf einmal zack, wie ein Cut. Es ist zu Ende, und das kann ich bis heute nicht verarbeiten.“ Sie wendet sich abrupt von der Musik-Karriere ab und beginnt eine Job als Austrägerin bei der City Post Landshut auf 400€ Basis. Der erste Winter ist kalt, dazu kommt die Enttäuschung der Mutter, die sich nach all den Jahren für die Musik auch etwas anderes erhofft hatte. Doch sie hält weiter zu ihr, und im Nachhinein betrachtet findet Claudia: „Es kommt immer auch ein Bergteil. Gute Zeiten, schlechte Zeiten.“

Und der Postjob bleibt nur eine Episode. Sie beginnt mit Mitte 20 eine Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten, eine harte Schule mit all dem deutschen Spezial-Vokabular, schafft diese in nur zwei statt der üblichen drei Jahre und beginnt in einer Hausarztpraxis zu arbeiten. Die Ärztin nimmt ihren Ehrgeiz war und ermuntert sie, Medizin zu studieren, doch Claudia hat nur das Fachabitur. Nochmal das Abitur nachzuholen, Physik, Chemie, Mathe, das konnte und wollte sie nicht mit ihrem Leben vereinbaren, auch wenn es sie gereizt hätte. Stattdessen startet sie eine weitere Ausbildung als Fachkosmetikerin, Fußpflegerin und Visagistin, jobbt als Arzthelferin – und findet dort unerwartet wieder Anschluss an die Musik. Denn ihre Chefin bittet sie um Klavierunterricht für die ganze Familie. Claudia lässt sich darauf ein, obwohl es alte Wunden aufreißt. „Ich habe eine DVD von meinem Abschlusskonzert, die ich nicht angeschaut habe in den letzten 17 Jahren. Nein, ich kann das nicht.“ Sie meldet ein Kleingewerbe an – und schon bald wieder ab – denn ihr Sohn Benett kündigt sich an. Und Claudia beschließt, ganz einfach Mutter zu sein. „Ich bin eigentlich ein Mensch der Gegensätze oder Extreme. Entweder gebe ich null oder ich gebe 100 Prozent. Es gibt nichts dazwischen. Und so war ich erst mal Mutter. Zu 100 Prozent.“

Sonaten statt Smalltalk – der Weg in die Genossenschaft
In dieser Zeit, in der die junge Familie in Sendling lebt, ist es vor allem ihr Mann Tibor, ein kontaktfreudiger Mensch, der die Fühler nach draußen ausstreckt. „Ich mag keinen Smalltalk. Also, man muss schon einen Grund haben, dass man sich unterhält“, gibt Claudia freimütig zu. Und so ist er es, der den Erstkontakt zur Progeno herstellt. Er kannte ähnliche Wohnformen aus seiner Vergangenheit und überzeugt Claudia mit der Hoffnung, „dass wir nicht nur irgendein Mieter oder jemand in völlig fremder Umgebung sind, sondern man vielleicht ein Mietspracherecht oder einfach ein Gefühl von Wir hat.“ Eine Hoffnung, die aufging.

Längst sind Claudia und ihre Familie angekommen in unserer Gemeinschaft – und der musikalische Samen gesät. Sieben Kinder unterrichtet Claudia aktuell – und dem Nikolaus-Konzert vom Dezember 2022 (hier kann man den Artikel dazu lesen) werden sicherlich noch viele folgen …
