Gedanken aus der Baugruppe Neufreimann
Monika Wieberger, Neufreimanner Mutter von jugendlichen Zwillingen, zeichnet das Bild eines generationengerechten Hauses – sie wirbt dafür, außer den aktuellen persönlichen Bedürfnissen auch eine mittel- und langfristige Perspektive in den Blick zu nehmen
Baugruppentreffen der Neufreimannerinnen im Januar – ein Thema des Abends war die Nutzung von Gemeinschaftsflächen. Als Warm-up und Kennenlernübung erzählen alle kurz, worauf sie sich in 2024 besonders freuen. Es ist schön, wie viele der Teilnehmerinnen hier die Geburt eines Kindes nennen; auch 2023 sind in der Gruppe schon einige Babys auf die Welt gekommen, die wir nach und nach bei den Treffen als ruhige oder lebhafte kleine Gäste kennen lernen.

Während der Diskussion kommt u.a. die Frage auf, wo es wohl Abstellplätze für Kinderwägen geben werde? Wieviel Platz wird es für Lastenräder geben? Und soll auf das Dach ein Spielplatz? Meine Aufmerksamkeit lässt etwas nach, schließlich ist der Nachwuchs quasi erwachsen – obwohl, einen Fitnessraum fänden sie wahrscheinlich gut, genau wie ich auch. Aber in 10 Jahren? Da werden meine Kinder wohl nicht mehr bei uns wohnen, ich werde im Ruhestand sein, und statt im Fitnessraum wahrscheinlich lieber bei Wanderungen an der frischen Luft fit bleiben.
Altersstruktur der Neufreimanner Baugruppe (Stand April 2024):
Es gibt aktuell einen deutlichen Schwerpunkt bei jungen Familien mit kleinen Kindern – die Jugend und Senioren sind bislang in der Minderheit. Bis zum Bezug wird sich diese Statisk allerdings noch verändern.

Alles nur eine Phase ….
In der U-Bahn auf dem Weg nach Hause sinniere ich weiter über das Thema Gemeinschaftsflächen nach. Heute versuchen wir, in unseren Diskussionen die Einzelinteressen von 50 und später 100 Wohnparteien zu einem Nutzungskompromiss auszuhandeln. Das ist wichtig, damit sich alle in unserer Wohn-Gemeinschaft wohl fühlen. Denn wir wollen ja alle lange und zufrieden in unserer Genossenschaft leben.
Über eine längere Zeit werden sich naturgemäß unser aller Bedürfnisse ändern. Familien, die heute für einen Kinderwagenstellplatz streiten, müssen in 10 Jahren Fahrräder unterbringen; das Kind, das heute im Sandkasten buddelt, will in 10 Jahren einen Computer. Menschen, die heute voll im Beruf stehen und einen Arbeitsplatz für das Homeoffice brauchen, fangen vielleicht an, beruflich kürzer zu treten, und sich auf die Rente zu freuen.
Was wir brauchen, ist ein etwas abstrakterer Blick auf das Thema „Gemeinsame Nutzung“.
Die Genossenschaft ist ein langfristiges Wohnmodell, Wohnungswechsel werden eher selten sein. Ihre Bewohner und deren Bedürfnisse an die Wohn- und Lebensumgebung werden sich entwickeln und ändern. Die Wohnumgebung sollte vielfältig sein und verschiedene Nischen für Altersgruppen und Lebensweisen bieten. Fast noch wichtiger scheint es mir, die Gemeinschaftsflächen nicht für die Ewigkeit zu belegen, sondern eine flexible und wandelbare Nutzung von Anfang an mitzudenken. Analog zum Wandel bei den Bedürfnissen der Bewohner soll auch das Haus sich weiterentwickeln und anpassen.


Ich wünsche mir ein generationen-gerechtes und vielseitiges Haus. Es soll ein Gebäude sein, dass Evolution und Wandel erlaubt. Es bietet Ruhe- und Aktivitätszonen, die barrierefrei nutzbar sind. Es ist ein Zuhause für die ganz Jungen, die Älteren, und alle dazwischen.
Diskutieren wir heute über die Nutzung von Gemeinschaftsflächen, dann wäre es gut, wenn wir außer unseren aktuellen persönlichen Bedürfnissen auch eine mittel- und langfristige Perspektive in den Blick nehmen.
Damit die Dreijährigen, die 35jährigen und die 59jährigen von 2027 auch im Jahr 2047 noch
IHRE Wohlfühlorte in Neufreimann haben.
Monika Wieberger | Fotos: Felizitas Mussenbrock-Strauß und Betty Gehrling
