Veranstaltung am 2.7.2020 im Gemeinschaftsraum Prinz-Eugen-Park

Seit 2019 findet in der Progeno eG im Prinz-Eugen-Park ein „Literaturkreis“ für Interessierte statt. Bisher trafen sich nur Frauen, das muss aber nicht so bleiben! Wir haben uns über Bücher ausgetauscht, die wir gerade lasen, haben uns neugierig gemacht auf Neuerscheinungen. Dann haben wir begonnen, uns mit Hannah Arendt vertiefend zu beschäftigen, das Interesse war bei allen geweckt! Zum richtigen Zeitpunkt erhielt Felizitas Mussenbrock-Strauß den Vorschlag von Renate Börger gemeinsam mit Karin Petrovic einen Abend zu gestalten:
Thema: Politik bei Hannah Arendt
Es war und wurde eine gelungene und inspirierende Veranstaltung mit ca. 15 Gästen! Diesmal wurde unser Gemeinschaftsraum zum Ort und Raum in dem lebendiges, spannendes und zugleich lebensnahes Philosophieren möglich wurde. Vertiefung des Gehörten und Austausch mit Anderen wurde zum Abschluss von einem guten Schluck Rotwein begleitet!
Moderation: Renate Börger (Mitglied im Bauverein Haidhausen im Prinz-Eugen-Park), mit vielen Aktivitäten im Quartier präsent, sie hat den Kontakt zu Karin Petrovic geknüpft.
Referentin: Karin Petrovic, Philosophin
Zur Person:
Karin Petrovic arbeitet als philosophische Praktikerin in München. Sie bietet seit vielen Jahren ein „Philosophisches Sonntagscafe“ in der Antikensammlung an, organisiert Reisen, philosophisches Coaching und Begegnungen mit der Philosophie an unterschiedlichen Orten, für Gruppen und Einzelne. Auf ihrer Homepage beschreibt sie ihr Verständnis von der Philosophie: „Philosophie hat für mich etwas mit dem Leben zu tun. Philosophie hilft, sich im Denken zu orientieren. Sie ermutigt zum Urteilen und dadurch zum Handeln. Mein Anliegen ist es, einen Raum zu schaffen an unterschiedlichsten Orten, in dem lebendiges, lebensnahes Philosophieren möglich ist “ (karin-petrovic.de)
Renate Börger stellte uns Hannah Arendt mit den wesentlichen Eckdaten ihrer Biografie vor: Hannah Arendt war eine der signifikanten politischen Denkerinnen des 20.Jahrhunderts. 1906 in Hannover geboren,1975 in New York gestorben. Sie wurde von den Nazis ins Exil, 1933 zunächst nach Paris, 1941 dann mit ihrem Mann nach New York gezwungen. Dort publizierte sie u.a. “Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“. Sie lehrte an verschiedenen Universitäten, als erste Professorin in Princeton. Ihr Hauptwerk, „Vita activa oder vom tätigen Leben“, prägte den politischen und philosophischen Diskurs maßgeblich und nimmt bis heute eine bedeutende Rolle ein. Hannah Arendt gilt als streitbare Jahrhundertdenkerin, auf einschüchternde Weise klug, zu jüdisch, manch einem nicht jüdisch genug! Ihr Bericht vom Eichmannprozess brachte ihr viel Kritik von der jüdischen Gemeinschaft ein. Sie sprach von der “Banalität des Bösen“ mit Blick auf die Person Eichmann vor Gericht in Jerusalem, im Gegensatz zum Begriff eines Monsters (Sehenswert auf youTube: Hannah Arendt im Gespräch mit Günther Gaus / 1964 ).

Karin Petrovic legte den Schwerpunkt des Abends u.a. auf die Idee des Politischen bei Hannah Arendt:
Der Begriff der Öffentlichkeit ist bei Hannah Arendt wesentlicher Bestandteil eines fortschrittlichen Verständnisses von Demokratie. Öffentlichkeit ist für sie der politische Raum, dort teilen wir diese unsere Welt und bemühen uns um die Perspektiven des Anderen auch des Fremden. Hannah Arendt hat als politische Philosophin einen ganz eigenen Weg des Denkens beschritten (Denken ohne Geländer). In ihren Werken verbindet sie politische Geschichte, Geistesgeschichte und systematisch-philosophische Betrachtungen. Zur Analyse des dritten Reiches und des Totalitarismus allgemein hat sie grundlegende Erkenntnisse beigetragen. Alles zu vermeiden, was diese Entartung des Politischen begünstigen könnte, ist ihr einer der wichtigsten Leitgedanken. Hannah Arendts Idee, dass mit der Geburt eines jeden Menschen, eines jeden Gedankens ein ebenso kleiner wie radikaler Neuanfang gemacht ist. Die sogenannte „Natalität“ ist der erste weibliche Begriff in der Geschichte der Philosophie. Die Bedeutung der Natalität für die Politik liegt in der Chance durch gemeinsames politisches Handeln einen Neuanfang bewirken zu können.
Arendt untersucht in ihrem philosophischen Hauptwerk „Vita activa“ die drei verschiedenen Grundtätigkeiten des Menschen: Arbeiten, Herstellen und Handeln.
Dem Menschen ist die Fähigkeit gegeben durch Handeln Neues anzufangen! Der Sinn des Politischen ist, dass Menschen in einem öffentlichen Raum, in Freiheit, jenseits von Gewalt, Zwang und Herrschaft, miteinander verkehren, miteinander im Gespräch bleiben.
Das Politische ist nach Arendt prinzipiell herrschaftsfrei, weil es sich allein durch das gemeinsame Handeln unter freien und gleichen Menschen herstellt. Nach Arendt ist Politik mit Freiheit gleichzusetzen, denn allein im politischen Handeln ist die Freiheit des Menschen möglich.
