Die Macht der Gewohnheit – Segen oder Fluch?
Dieser Beitrag geht zurück auf eine schriftliche Vorlage und Idee von Dr. Adi Winteler (begeisterter Progeno!). Erweitert wurde diese um einen fruchtbaren Austausch in Form einer sogenannten „Arbeitssitzung“ auf unserer Terrasse vor dem Gemeinschaftsraum.
Teilgenommen haben: Felizitas Mussenbrock-Strauß, Karla Flügel und Dr. Adi Winteler

Adi Winteler führt mit Beispielen aus der Praxis ins Thema ein:
„Erinnert ihr euch noch daran, wie ihr den Führerschein gemacht habt? Wie es war, Autofahren zu lernen und wie ihr dabei viele verschiedene und zunächst noch separat zu lernende Handlungen unter einen Hut bringen musstet? Anlassen, kuppeln, Gang einlegen, Gas geben, Motor abwürgen, Seitenspiegel und Rückspiegel kontrollieren, lenken, bremsen, während der Fahrt Verkehrszeichen, Ampeln, andere Verkehrsteilnehmer beachten etc., etc. Es hat gedauert, bis ihr das in die Reihe bringen konntet.
Und heute? Ihr steigt einfach ein und fahrt los, ohne weiter darüber nachzudenken. Durch die zahlreichen Lernvorgänge und Wiederholungen geht das alles. Mit der Zeit habt ihr Gewohnheiten gebildet. Gewohnheiten erleichtern uns im Alltag das Leben sehr, da wir für viele Handlungen nicht erst noch Zeit und Energie aufwenden müssen, sondern sie unwillkürlich, unbewusst, automatisch ausführen können. Gewohnheiten können so ein Segen sein.
Gewohnheiten können jedoch auch zum Fluch werden, dann, wenn sie uns daran hindern, auf Veränderungen angemessen zu reagieren. Bleiben wir beim Autobeispiel. Autopendler behaupten zuweilen, dass sie ihre morgendliche Fahrstrecke sogar „im Schlaf“ bewältigen können. Und das tun sie, selbst dann, wenn auf dieser Strecke gravierende Änderungen eintreten, die der normalen Fahrstrecke entgegenstehen, wie z.B. eine Änderung der Vorfahrt. Selbst, wenn diese Änderung zuvor mehrfach in den Medien und auch auf der Stecke mit Warntafeln angekündigt worden ist, passieren für eine ganze Weile an der betreffenden Kreuzung gehäuft Unfälle. Die beteiligten Autofahrer geben dann in der Regel an, die Veränderung einfach nicht wahrgenommen zu haben.
Wenn ihr diese „Macht der Gewohnheit“ selbst erleben wollt, dann könnt ihr an dem folgenden kleinen Experiment teilnehmen, das wir dazu vorbereitet haben. Ihr könnt dies für euch tun oder auch gemeinsam mit anderen, der Effekt bleibt stets gleich. Aber gemeinsam macht es mehr Spaß.
Also, auf geht’s!“
Wir halten fest:
Der wichtigste einzelne Faktor, der bestimmt, was und wie gelehrt – und auch gelernt – wird, sind die Konzepte des Lehren und Lernens in den Köpfen der Lehrenden und Lernenden.
„Wie können wir traditionelle Konzeptionen des Lehren und Lernens entwickeln und aber auch verändern!? “
Die folgenden Aufgaben sollen uns einführen in das, was „Neurolinguistische Selbstorganisation“ meint. Warum die Macht der Gewohnheit buchstäblich Segen oder Fluch sein kann.
AUFGABE 1
Lese die Wörter jeder Zeile, von links nach rechts, Zeile für Zeile. Korrigiere etwaige Fehler. Stelle fest, wie lange du brauchst, um die Aufgabe durchzuführen. Lies so schnell wie es dir möglich ist.
Wer mag und neugierig genug ist, notiert die dafür benötigte Zeit (Sekunden) und die Anzahl der Fehler, die gemacht wurden!

AUFGABE 2
Bitte die folgenden Wörter zügig lesen! Nun aber den Namen der Farbe jedes Wortes von links nach rechts, laut lesen. Zeile für Zeile, etwaige Fehler korrigieren. Stelle fest, wieviel Zeit du gebraucht hast, um die Aufgabe durchzuführen.
Auch hier kannst du die dafür benötigte Zeit (Sekunden) und die Anzahl der Fehler, die gemacht wurden notieren.

INTERPRETATION DER ERGEBNISSE
Was ist passiert?
- Wörter zu lesen erfordert wenig Anstrengung und erfolgt eher automatisch.
- Bei der zweiten Aufgabe überlagert die alte Gewohnheit („grün“) das neue Lernen („rosa“).
- Dieser Effekt verlangsamt das Lernen der neuen Fertigkeit (old habits die hard).
- Alle Menschen kennen dieses Problem. Wir mögen keine Veränderungen!
- Die zweite Aufgabe führt zu emotionalen Reaktionen wie Überraschung, Verunsicherung, Ärger, Freude, Stolz …
- Diese emotionalen Reaktionen treten immer dann auf, wenn wir zu ändern versuchen, was im Gegensatz zu dem steht, was wir bereits wissen oder können.
„Übrigens zu unser aller Beruhigung: es hat nichts mit unserem IQ zu tun! Es ist eine generelle Tendenz des Organismus, bereits Gelerntes zu schützen.“

Wie kann es trotzdem gelingen, Gelerntes proaktiv zu verändern?
Wir wollen in der nächsten Magazinausgabe noch einmal Möglichkeiten der Neurolinguistischen Selbstorganisation vorstellen!
