Obwohl Sie es nicht sollten, haben Sie wahrscheinlich beim ersten Lesen dieser Überschrift an eine Zitrone gedacht und sie eventuell auch kurz vor sich gesehen. Es kann sogar sein, dass sich Ihr Gesicht leicht verzogen hat und/oder Sie es sauer auf der Zunge verspürt haben.
Woran liegt es, dass Sie der Aufforderung, nicht daran zu denken, nicht unmittelbar nachkommen konnten? Hierzu liegen bereits einige und durchaus interessante Untersuchungen vor.
So ist es z.B. amerikanischen Psychologen der Tufts University gelungen, mittels EEG (Elektroenzophalografie ) aufzuzeichnen, was bei der Verarbeitung von sprachlichen Negationen im Gehirn abläuft.
Das Ergebnis: Wenn Sie die Verneinung, die Negation hören, wird sie in der linken Gehirnhälfte (der rational-logischen) richtig verarbeitet. Die rechte Hirnhälfte (für Ereignisse, bildliche Darstellungen und Emotionen zuständig) erstellt dennoch gleichzeitig das Bild einer Zitrone.
Wie kommt das zustande?

Da es für die Zitrone kein passendes Gegenstück, keine „Nicht-Zitrone“ gibt (außer Leere), können sie die Verneinung im Beispiel nicht bildlich im Kopf darstellen. Um den Satz zu verstehen, müssen Sie also erst einmal an das Objekt, die Zitrone, denken und sie dann sozusagen „verneinen“ und löschen. Die Informationsverarbeitung wird dadurch verlangsamt oder sogar gestört.
Dies kann sich z.B. auch dann zeigen, wenn Sie einem Kleinkind, das gerade beginnt, laufen zu lernen, zurufen: „Stolper nicht“. Der Effekt kann dann genau gegenteilig sein, wenn die Verneinung vom Gehirn verspätet erfolgt.
Dass Verneinungen durchaus auch manipulativ und damit negativ eingesetzt werden können, zeigen Studien zur Beurteilung des Wahrheitsgehalts einer Aussage.
Das Ergebnis: Negative Aussagen werden eher als wahr eingestuft als positive (Negativitätsbias). Besonders wirksam scheint es zu sein, wenn negative Aussagen über eine Verneinung – also „nicht zufrieden“ statt „unzufrieden“ – erzeugt werden.
Negative Äußerungen wiegen also schwerer als positive: Einer einzigen Kritik wird größeres Gewicht beigemessen als mehreren lobenden Rückmeldungen. Die Forscherinnen zur Vorhersage der Dauer von Paarbeziehungen haben sogar herausgefunden, dass auf eine negative und verletzende Botschaft zwischen Partnern in der Folge mindestens 5 positive Botschaften ausgesendet werden müssen, damit der negative Effekt gelöscht und die Beziehung dauerhaft bleiben kann. Sowohl die Sender als auch die Empfängerinnen und Empfänger von Botschaften sollten sich dieser Wirkung von Verneinungen bewusst sein – und dies insbesondere, wenn sie an einer dauerhaften Beziehung interessiert sind.
Die bisherigen Erkenntnisse zur u.U. schädlichen Wirkung von Verneinungen können jedoch auch ins Positive gewendet werden. Hierfür gibt es bereits einige und erfolgreiche Beispiele.
Ein solcher Bereich sind z.B.die Operationen unter Narkose, denn die zentrale auditorische (Hör-) Leitungsbahn bleibt während der Allgemeinanästhesie intakt. Wenn währenddessen zum Beispiel ein Chirurg zum anderen sagt: „Der wird uns doch NICHT unter dem Messer wegsterben“, dann hört das Unbewusste, da es keine Negationen verarbeiten kann: „Der wird uns doch … unter dem Messer wegsterben.“ Für das Unbewusste bedeutet dies: Überlebenskampf! Die Folgen können durchaus dramatisch sein: Alpträume, länger andauernde Schmerzen, längere Genesungszeit.
Wenn dagegen Patientinnen und Patienten eine Tonaufnahme mit hypnotischen positiven Botschaften zum Heilungsprozess vorgespielt wurde – zuweilen kombiniert mit beruhigender Musik – , dann zeigte sich: Nach der Operation war das Schmerzempfinden in der Gruppe mit der beruhigenden Botschaft um ein Viertel geringer als in der Kontrollgruppe ohne; der Schmerzmittelbedarf war sogar um ein Drittel niedriger. Weniger Übelkeit und weniger Bedarf an Medikamenten sowie ein rascheres Aufwachen konnten ebenfalls beobachtet werden.
So kann Gesprächen beispielsweise ein positiver „touch“ verliehen werden, indem Sie in Zukunft lieber anstatt „Das ist nicht schlecht“ „Das ist (ganz, sehr) gut“ sagen.
Diese bisherigen Ergebnisse liefern neben dem Erkenntniszuwachs auch einen praktischen Nutzen für unser aller Alltag. So kann Gesprächen beispielsweise ein positiver „touch“ verliehen werden, indem Sie in Zukunft lieber anstatt „Das ist nicht schlecht“ „Das ist (ganz, sehr) gut“ sagen. Gerade im zwischenmenschlichen Umgang und insbesondere im Umgang mit (kleinen) Kindern ist ein solcher direkter und positiver Austausch förderlich.
So sind Sie nach den gewonnenen Erkenntnissen jetzt selbst in der Lage, den folgenden Beispielen eine positive Wende zu verleihen:
Ich werde nicht aufgeben!
Sondern: …
Ich werde nicht scheitern!
Sondern: …
Sei doch nicht so ängstlich!
Sondern: …
Ich lasse mir die Laune davon jetzt nicht verderben!
Sondern: …
Schrei nicht immer so rum!
Sondern: …
Mach mich nicht so an!
Sondern: …
Tu das nicht!
Sondern: …
Nicht schlecht, der Beitrag?
Sondern: …
Quellen:
- Mante S. Nieuwland, Gina R. Kuperberg. When the truth isn’t too hard to handle: An event-related potential study on the pragmatics of negation. Psychol Sci. Author manuscript; available in PMC 2011 Nov 28. Published in final edited form as: Psychol Sci. 2008 Dec; 19(12): 1213–1218. doi: 10.1111/j.1467-9280.2008.02226.x PMCID: PMC3225068.
- Mariela E. Jaffé und Rainer Greifeneder: Negative or negated, thus true? An investigation of concept valence and semantic negation as drivers of framing effects in judgments of truth. Social Cognition (2021), doi: 10.1521/soco.2021.39.6.687.
- Nowak, Zech et al: Effect of therapeutic suggestions during general anaesthesia on postoperative pain and opioid use: multicentre randomised controlled trial. BMJ 2020 Dec 10;371:m4284. doi: 10.1136/bmj.m4284; https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33303476/.
- Alexandra Zagler: Positive Suggestionen vom Tonträger während Allgemeinanästhesie und ihre Auswirkung auf postoperativen Schmerz, Übelkeit, Aufwachzeit und Orientiertheit. Dissertation zum Erwerb des Doktorgrades der Zahnmedizin an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität zu München. 2021.
- Finn, M. D. Johnson, F. J. Neyer: Happily (N)ever After? Codevelopment of Romantic Partners in Continuing and Dissolving Unions, Developmental Psychology, 2020, http://dx.doi.org/10.1037/dev0000897.
