Moldawien – ein Land, das keinen Massentourismus kennt

Ein Reisebericht von Doris, unsere Expertin für Osteuropa aus dem Prinz-Eugen-Park

Sie ist schon oft nach Osteuropa und die Länder ehemaligen UdSSR gereist – auch weil sie Russischübersetzerin ist und sich in den meisten Ländern gut verständigen kann. Sie leiten dabei Neugier und Interesse an den Menschen in dieser Region. Bisher hat sie sich bei all ihren Reisen wohl gefühlt und kann bestätigen, dass es im „wilden Osten“ auch nicht gefährlicher ist als hier. Dieses Mal geht es nach Moldawien

Wo liegt eigentlich Moldawien?

Die Republik Moldau (auch Moldawien genannt) liegt im Südosten Europas und grenzt an Rumänien und die Ukraine. Die berühmte tschechische Moldau (tschechisch: Vltava) fließt nicht durch Moldawien, der Name leitet sich vom Fluss Moldova ab.
Die Republik Moldau ist circa halb so groß wie Bayern und hat 2,5 Millionen Einwohner (zum Vergleich: Bayern hat knapp 14 Millionen Einwohner). Amtssprache ist Rumänisch, die meisten Menschen können sehr gut Russisch, junge Leute auch Englisch.
Da ich gerne langsam reise, entscheide ich mich für die Anreise mit dem Zug: Ich fahre mit dem Nachtzug von Wien in das hübsche rumänische Städtchen Cluj, von dort geht es weiter nach Bukarest und von dort wieder mit dem Nachtzug nach Chişină.

Moldawien in wenigen Worten

Moldawien ist ein liebenswertes Land mit einer sanften hügeligen Landschaft, freundlichen Menschen und einer guten Küche. Es herrscht ein mediterranes Klima, dadurch gibt es sehr viele Weingüter mit zum Teil hervorragenden Weinen. Außerdem ist es touristisch völlig unbekannt, ich habe auf der ganzen Reise 2 Franzosen und einen Koreaner getroffen!
Abseits von touristischen Fragen interessiert mich besonders, wie es läuft in dem Staat der ehemaligen Sowjetunion: Wie sieht der Alltag aus und wie geht es den Menschen heute. Welche wirtschaftliche und politische Entwicklung lässt sich auf einer Reise erkennen?

Was lässt sich vor Ort erkunden?

Moldawien ist das Land der Weine. Wurde zu Sowjetzeiten ein meist lieblicher Einheitswein – eine ziemliche Plörre – im großen Maßstab produziert, so spezialisieren sich heute viele Produzenten auf alte, einheimische Rebsorten und erzeugen Wein für den „europäischen“ Geschmack. Im ganzen Land gibt es Weingüter z. T. in Schlössern und Gutshäusern, die neben Wein auch gute Küche, Übernachtung und sogar Spa anbieten.
Ganz in der Nähe von Chişinău gibt es einen kuriosen Superlativ: Den größten Weinkeller der Welt. Ich hätte diesen in Kalifornien erwartet, aber mit 250 km (!) ist der Weinkeller von Mileștii Mici ungeschlagen. Der Weinkeller kann zusammen mit einer Degustation besichtigt werden.

Die Hauptstadt von Moldawien ist Chişinău, die natürlich mit den Sehenswürdigkeiten einer größeren Stadt aufwartet: Interessante Museen, eine Orgelhalle, ein Puschkin-Museum, Kirchen, Klöster, Friedhöfe, Denkmäler und dergleichen mehr. Vor allem aber ist es eine sehr schöne Stadt zum Dasein, es gibt unglaublich viele Parks, die Café-Dichte ist hoch, und es gibt unzählige Restaurants mit guter Küche. Probiert werden müssen auf alle Fälle alle Formen süßer und salziger Plăcinte, eine Art gefüllter Pfannkuchen. Es gibt ein sehr leckeres Auberginen-Püree und andere Gemüse-Vorspeisen sowie in Tomatensoße und/oder Wein geschmortes Fleisch mit Polenta.


Ein Erlebnis für West-Europäer ist der Hauptmarkt. Hier gibt es eine Markthalle aus sowjetischer Zeit, in der Obst, Gemüse, Honig, Käse und Fleisch angeboten werden. Alles wird so appetitlich wie möglich drapiert, das meiste darf auch probiert werden. Hinter dem offiziellen Markt gibt es einen riesigen und chaotischen Markt, auf dem man absolut alles kaufen kann.


Einen Besuch wert ist auf jeden Fall auch der jüdische Friedhof. Wie in allen Ländern Osteuropas gab es auch in Chişinău bis zum zweiten Weltkrieg eine große jüdische Gemeinde. Von den ca. 400.000 Juden in der Region überlebten ca. 50.000 den Holocaust, eine große Auswanderungswelle in den 1970ern dezimierte die Zahl weiter. Auf dem Friedhof findet sich schnell eine nette Dame, die mich herumführt und erklärt, wie ich die funktionierenden Synagogen und das Holocaust-Denkmal finde.


Eine sehr originelle „Sehenswürdigkeit“ in Moldawien sind die Walnussbäume. Zwischen 1968 und 1979 wurden per Order die Muffti von Ivan Iwanowitsch Bodjul, dem damaligen Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Moldauischen SSR, 2 Millionen (!) Walnussbäume gepflanzt. Diese haben jetzt eine stattliche Größe erreicht und lassen ganze Dörfer unter ihrem Grün verschwinden.

Das Gebiet von Moldawien ist schon sehr lange besiedelt, gut zu sehen ist dies in Orhei Vechi, das wunderschön in die hügelige Landschaft eingebettet ist. Hier können ein Höhlenkloster und archäologische Ausgrabungen von tatarischen Festungen sowie von frühmittelalterlichen Dörfern besichtigt werden. Das hört sich beeindruckender an, als es ist – man muss schon etwas suchen, bis man die Sachen findet. Auf jeden Fall lohnt es sich, noch ein oder zwei Tage für Wanderungen einzuplanen. In der Gegend gibt es schöne Übernachtungsmöglichkeiten in z. T. liebevoll restaurierten Bauernhäusern.


Am Ende des touristischen Teils möchte ich einen kleinen Einschub zum öffentlichen Verkehr machen. Grundsätzlich ist jeder Winkel des Landes mehrmals täglich mit einem Kleinbus, einem sogenannten Marschrutka, erreichbar. Den Abfahrtsplan finden Reisende im Internet. Da wundere ich mich doch, dass in einem Land mit wenig Infrastruktur etwas geht, was bei uns unmöglich ist.

Wie geht es den Menschen?

In der Sowjetunion zählte die Moldauische SSR zu den reichen Republiken – sie war eine der Kornkammern des Landes. Da Breschnew aus Moldawien kam, hatte die Republik eine gewisse Vorzugsstellung.
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion änderte sich dies schlagartig. Bis vor kurzem galt Moldawien als „Failed State“, sprich Chaos und Korruption machten die Entwicklung einer Zivilgesellschaft nahezu unmöglich. Viele Menschen können nur überleben, weil Kinder oder Verwandte aus dem Ausland regelmäßig Geld schicken.
Zudem gab es nach dem Zusammenbruch der UdSSR in dem winzigen Land noch 2 Teile, die sich abspalten wollten: Transnistrien und Gagausien. Während mit letzterer eine Übereinkunft gefunden wurde, die dem Turkvolk der Gagausen eine gewisse Autonomie gibt, kam es in Transnistrien zu einem Bürgerkrieg mit anschließender Abspaltung.
Transnistrien habe ich auf meiner Reise besucht. Auf dem Weg in die Hauptstadt Tiraspol passiert man eine „Grenzkontrolle“, vor Ort muss man transnistrische Rubel tauschen und dann geht’s auf in eine Art „Mini-Russland“. Es gibt neue Kirchen und Denkmäler für Katharina die Große, vor dem Rathaus steht noch ein Lenin. Hauptsehenswürdigkeit ist ein riesiges Kriegerdenkmal, davor Gräber der Gefallenen und ein Panzer aus dem Bürgerkrieg. Mich gruselt es und ich fahre ganz schnell wieder weg.


In letzter Zeit, vor allem seit der Wahl von Maia Sandu zur Präsidentin, gibt es eine Entwicklung zum Besseren. Frau Sandu hat den korrupten Chef der Notenbank und viele weitere mafiöse Funktionäre entlassen. Eine Sonderabgabe für die Verbesserung der Straßen wurde z. B. tatsächlich für die Infrastruktur ausgegeben.
Aber es gibt nach wie vor einen Gegensatz von arm und reich: Vor gut besuchten Cafés stehen alte Frauen aus den Dörfern und verkaufen Blumen oder Gemüse, mein Guesthouse in Chişinău ist 3 Geh-Minuten von einem supermodernen Einkaufszentrum entfernt – zum Guesthouse führt ein winziger Feldweg, den ich beim ersten Mal kaum finde.
Auffällig ist auch die große Anzahl der Wechselstuben, die natürlich nicht für die nicht vorhandenen Touristen sind: Alle tauschen ihre Lei erstmal in Dollar oder Euro.

Mein Eindruck ist, dass die Stimmung verhalten positiv ist. Auch wenn die Korruption eingedämmt wird, konnte die Präsidentin ihre Versprechen zum Abschaffen der Korruption nicht halten. Zudem hängt eine mögliche russische Invasion wie ein Damokles-Schwert über dem Land. Vor diesem Hintergrund zündeln Transnistrien und Gagausien und rufen Putin um „Hilfe“.

Zum Abschluss möchte ich noch eine kleine Anekdote meiner Gastgeberin Olga aus Orhei Vechi erzählen, die viel über die Zähigkeit der Menschen aussagt. Meine Gastgeberin hat Anfang 2000 ein Häuschen geerbt und daraus mit geliehenem Geld von Freunden und einer schwedischen Hilfsorganisation eine bezaubernde Pension geschaffen: Die Rosen-Villa. Staatliche Hilfe gab es dafür nicht, ganz im Gegenteil, bei einem „Kontrollbesuch“ einer Behörde fanden die Beamten nach langem Suchen 2 Flaschen Bier ihres Mannes, das sie mangels Lizenz nicht verkaufen durfte (und auch gar nicht wollte). Dafür sollte sie umgerechnet 6.000 USD Strafe zahlen. Das wollte Olga nicht auf sich sitzen lassen; sie wandte sich an verschiedene Zeitungen und ans Radio. Als sie schließlich mit ihrer Geschichte in einer beliebten Radiosendung auftrat, wurde die „Strafe“ auf ca. 50 Euro gekürzt. Seitdem gab es keine behördlichen Raubzüge mehr im Dorf, und auch Olga blickt verhalten optimistisch in die Zukunft.

Lohnt sich eine Reise?

Man muss kein Russisch können, um in Moldawien zurecht zu kommen. Vor allem junge Leute können auch Englisch und man kann sich auf die Hilfsbereitschaft der Moldowen verlassen. Eine Reihe geführter Touren erleichtern die Planung zusätzlich. Ich würde eine Rundreise über Rumänien empfehlen und erst mal 1-2 Tage in Bukarest verbringen. Von dort aus geht es dann weiter in den Nordosten Rumäniens, um die Moldauklöster (z. T. Unesco Weltkulturerbe!) zu besuchen. Dann erfolgt die Weiterreise nach Orhei Vechi mit 1-2 Übernachtungen. Es lohnt sich, dann mindestens 2 Tage in Chişinău einzuplanen und ebenfalls noch eine oder mehrere Nächte in einem Weingut zu bleiben (oder eine Weingüter-Tour zu machen).

Weiterführende Literatur und Links:

Frieder Monzer, Timo Ulrichs: Reiseführer Moldova, Trescher Verlag:
https://arabellabuecher.buchhandlung.de/shop/article/37616565/frieder_monzer_timo_ulrichs_reisefuehrer_moldova.html

Bukarest: https://www.getyourguide.de/Bukarest
https://bucharest.walkaboutfreetours.com/
Moldauklöster: https://www.getyourguide.com/bukovina
Moldawien: https://www.getyourguide.de/-l1008/-tc1/?cmp=ga&cq_src=google_ads&cq_cmp=6712236393&cq_con=82045620431&cq_term=chisinau%20tours&cq_med=&cq_plac=&cq_net=g&cq_pos=&cq_plt=gp&campaign_id=6712236393&adgroup_id=82045620431&target_id=kwd-6508401984&loc_physical_ms=9042435&match_type=e&ad_id=388609859983&keyword=chisinau%20tours&ad_position=&feed_item_id=&placement=&device=c&partner_id=CD951&gad_source=1&gclid=Cj0KCQjw8pKxBhD_ARIsAPrG45l73tmUGSOW4kWNC_uVn8rvjNago1BXIV-Ej-aUwiRqaUolpSyj13saArLEEALw_wcB
Eco-Resort Orhei Vechi: https://www.butuceni.md/
Vila Roz (Rosen-Villa) Orhei Vechi: https://vilaroz.com/en/
Weingut Mileștii Mici: https://milestii-mici.md/en/
Weingut Mimi Castle: https://castelmimi.md/en/
Weingut Asconi: https://asconiwinery.com/
Weingut Poina: https://poiana.wine

Doris Leonhardt | Fotos: Doris Leonhardt

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