Was macht eigentlich der Vergabeausschuss?

Ein Gremium der Genossenschaft, das Beteiligung ermöglicht

Uta Wolfrum und Grischa Pfeffer geben Auskunft über dieses wichtige Gremium unserer Genossenschaft – zur Zusammensetzung, zu den Aufgaben, zu den Vergaberichtlininen und zur persönlichen Anforderung.

Ich begrüße euch beide, Uta und Grischa, ganz herzlich! Ich freu mich, dass ihr Zeit gefunden habt, uns in dieses spannende Thema „Vergabeausschuss“ einzuweihen.
Ja, ich denke, dass eine kurze Vorstellung Sinn macht, da ihr zwar vielen, aber nicht allen von unseren Leserinnen und Lesern bekannt seid. Bitte auch einen Satz zur Frage, was euch bewogen hat, diese Aufgabe zu übernehmen – ladies first! 

Uta: Ich heiße Uta Wolfrum, bin seit Ende 2015 Progeno-Mitglied und wohne seit 2018 mit meiner Familie, meinem Mann und zwei nahezu erwachsenen Kindern, in unserem 1. Projekt im Prinz Eugen Park. Ich bin als Vertreterin des Aufsichtsrats im Vergabeausschuss Prinz-Eugen-Park und im Vergabeausschuss Freiham engagiert.
Zu meiner Motivation, diese Aufgabe zu übernehmen: Mir war es von Anfang an wichtig, mit dabei zu sein, dass alle neuen Nachbarn die für sie passende Wohnung finden und dabei zu erfahren, was sie bewegt, Genosse bzw. Mitbewohner in einer guten Gemeinschaft zu werden: Ich kann im Vergabeausschuss mitgestalten, wer wessen Nachbar wird.  

Grischa: Mein Name ist Grischa Pfeffer. Ich bin seit 2019 Mitglied und habe fast gleichzeitig als Progeno Mitarbeiter begonnen. Seit Ende 2022 wohne ich in Freiham, in unserem 2. Projekt; zunächst im WA4 in einem sog. Pendel Zimmer, dann in einer eigenen Wohnung im WA9. Ja, wie bin ich zum Vergabeausschuss gekommen? Ich war zu Beginn nicht im Vergabeausschuss, habe das Thema als Mitarbeiter im Rahmen der Mitglieder-Aufnahme aber schon immer bearbeitet. Diesen Teil meines Jobs mag ich sehr, sehr gerne – also Menschen zu begleiten, die eine Wohnung suchen und die an einer Gemeinschaft wie der unserer Genossenschaft interessiert sind. Als ein Platz im Vergabeausschuss frei wurde, habe ich mich beworben und bin von den Bewohnern als ihr Vertreter gewählt worden.

Wie setzt sich denn der Vergabeausschuss zusammen?

Uta: Er setzt sich zusammen aus ein bis zwei Vertretern aus dem Vorstand, zwei Vertretern aus dem Aufsichtsrat und zwei Vertretern aus der Bewohnerschaft bzw. der zukünftigen Bewohnerschaft – die letzteren werden von der jeweiligen Hausgemeinschaft gewählt. 

Uta: Wir haben dazu im Vorfeld, als wir die Baugruppe für den Prinz-Eugen-Park gegründet hatten, bei den anderen Genossenschaften geschaut, welche Punkte wichtig sind, also welche Entscheidungen gefällt werden und wer eigentlich bestimmt, welcher Bewerber bzw. welcher Genosse welche Wohnung bekommt. Dazu haben wir uns eben rechts und links ein bisschen Inspiration geholt. Daraus hat eine kleine Gruppe aus unserer Baugruppe einen Entwurf zusammengestellt. Dieser wurde in der Baugruppe diskutiert mit den Fragen, wo wir unsere Schwerpunkte setzen, wo wir es für uns anpassen müssen. Das abschließende Ergebnis wurde dann gemeinsam von allen in der Baugruppe beschlossen.

Und diese gelten nun mehr oder weniger progenoweit, oder?

Uta: Ja, genau. Die notwendigen Vergabe-Formulare werden natürlich projektweise angepasst, aber die Vergabekriterien sind im Wesentlichen gleichlautend.

Wie läuft nun konkret der Prozess der Vergabe ab?  

Grischa: Es gibt verschiedene Arten von Vergaben – die im Bestand und die im Neubau.
Zuerst der reguläre Bestands-Fall: Wenn im Bestand eine Wohnung frei wird, informieren wir als erstes alle Mitglieder über unseren E-Mail-Verteiler. Die Bewerber melden sich mit einer Interessenbekundung inklusive Motivationsschreiben und bei geförderten Wohnungen mit passendem Berechtigungsschein. So können als erstes die formalen Voraussetzungen geprüft werden. Dazu gehört auch die Überprüfung der Mitgliedschaft und ob die Personenzahl des Haushalts mit der Größe der Wohnung zusammenpasst.  

Uta: Dann tritt der Vergabeausschuss zusammen, um sich die Bewerber anzuschauen und anhand der Vergabekriterien zu einer Entscheidung zu kommen. Es war uns wichtig, dass diese Vergabekriterien verschiedene Gesichtspunkte abdecken und keine Gewichtung haben. Denn diese müssen im Einzelfall gemeinsam diskutiert werden

Welche Kriterien gibt es denn? 

Grischa: Da ist einmal die Dauer der Mitgliedschaft, dann die Frage, ob bzw. wie lange es eine Wartezeit auf eine Wohnung gibt, des weiteren die momentanen Wohnverhältnisse, die Verwurzelung in der Nachbarschaft, also ob sich jemand in der Gegend bereits zu Hause fühlt und eben allgemeine soziale Aspekte.

Wir sind nur ein kleiner Baustein; aber es ist mehr, als jeder einzelne von uns alleine schaffen würde, weil wir zusammen neuen Wohnraum und damit Heimat  schaffen! 

Was heißt das?  

Grischa: Tatsächlich ist das teilweise bereits durch die anderen Aspekte abgedeckt; es bedeutet einfach, genau hinzuschauen, wie bedrängt oder beengt die aktuelle Situation ist, z. B. ob jemand derzeit im Frauenhaus oder in einer Einrichtung lebt oder von akuter Wohnungslosigkeit (z. B. aufgrund einer Eigenbedarfskündigung) bedroht ist  

Uta, magst du noch was ergänzen? 

Uta: Ja, alles sehr wichtig; es gibt noch einen Punkt, den ich nicht unter den Tisch fallen lassen möchte, und zwar der Blick auf die Zusammensetzung der Hausgemeinschaft. Wir leben im Idealfall 20, 30, 40 Jahre zusammen und da ist eine gemischte Hausgemeinschaft wichtig, in der man sich gegenseitig unterstützen kann – also eine Mischung an Lebensentwürfen, Nationalitäten, Herkünften und Alter. So kann sich untereinander ein Mehrwert für alle entwickeln.  

Und wie werdet ihr euch im Vergabeausschuss einig? 

Uta: Also, wir versuchen nach bestem Wissen und Gewissen, die verschiedenen Kriterien abzuwägen und verschiedene Perspektiven zu betrachten. In einigen Fällen gab es schon ausführliche Diskussionen mit Entscheidungen, die wir uns nicht leicht gemacht haben. Auf jeden Fall ist das Ganze nicht vergnügungssteuerpflichtig.
Einig waren wir uns letztlich eigentlich immer. Die letzte Entscheidung liegt beim Vorstand, der aber gut beraten ist, sich auf das Ergebnis des Ausschusses zu stützen. 

Ja, klingt nach Arbeit. Neben der Anstrengung, gemeinsam zu guten Entscheidungen zu kommen, kommt hinzu, dass einige enttäuscht und traurig sind, wenn sie nicht zum Zuge kommen.
Das bringt mich zu den Themen Transparenz auf der einen Seite und Persönlichkeitsrechte, Datenschutz auf der anderen Seite, da ihr auch sehr persönliche Daten erfahrt. Ich würde sagen, dass wir ein Stück Transparenz reinbringen, indem wir hier diesen wichtigen Prozess darstellen und erklären, wie der Vergabeausschuss arbeitet.
Aber wie wird mit den Entscheidungen umgegangen?  

Uta: Ja, eine wichtige Frage. Die Sitzungen finden nur im Kreise der Mitglieder des Vergabeausschusses statt. Die Entscheidungen werden nicht veröffentlicht, sondern nur den Betroffenen mitgeteilt; sie erhalten also eine Zusage oder Absage – ohne Begründung. Verständlich, wenn jemand bei einer Absage traurig ist, aber keiner kann Reklamation beim Vergabeausschuss anmelden oder Erklärungen verlangen.
Zur Transparenz kann ich noch ergänzen: Mit dem Bezug wird innerhalb der Hausgemeinschaft mitgeteilt, dass ein neuer Bewohner eingezogen ist, oder er stellt sich selbst vor; das ist also eher ein informeller Akt.

Wir leben im Idealfall 20, 30, 40 Jahre zusammen und da ist eine gemischte Hausgemeinschaft wichtig, in der man sich gegenseitig unterstützen kann.

Grischa: Ich will an dieser Stelle kurz auf die zwei anderen Vergabeverfahren zu sprechen kommen: Zum einen auf die im Neubau; besonders spannend ist natürlich hier die sog. erste Vergaberunde. Da wir den kompletten Vergabeprozess erst am 10. Mai in der Neufreimanner Baugruppe vorstellen werden, gehe ich hier nicht darauf ein. Die Neufreimänner und Neufreifrauen müssen sich also noch etwas gedulden!
Zum anderen läuft die Vergabe von einem bestimmten Anteil der EOF (= einkommensorientierte Förderung) Wohnungen über ein Portal der Stadt München, genannt  SOWON = Soziales Wohnen Online. Es würde hier an der Stelle zu weit führen, im Detail auf dieses Verfahren einzugehen. Jedenfalls ist das ein eigener, sehr aufwendiger Vorgang. Darüber sind wir und einige andere Genossenschaften mit dem Sozialreferat in einem guten – sehr praxisorientierten – Austausch. Erfreulicherweise konnten einige unserer Verbesserungsvorschläge tatsächlich aufgegriffen werden. Für Neufreimann sind wir für ein Pilot-Projekt vorgesehen. Wir sind gespannt!

Ja, vielen Dank für den Einschub.
Nun wurden ja gerade im Prinz-Eugen-Park und in Freiham neue Bewohnervertreter gewählt – welche Voraussetzungen sind eures Erachtens die wichtigsten? 

Grischa: Auf jeden Fall die, dass die Vertraulichkeit ernst genommen wird. Das ist in unserem engen nachbarschaftlichen Kontext ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Und die Verantwortung wahrzunehmen, die jeweilige Hausgemeinschaft mitzugestalten, also eine Gesamtverantwortung zu übernehmen und das eigene Ego hinten anzustellen. 

Uta: Und Empathie für das Haus mitzubringen, also einen offenen Blick auf die Personen, die schon da wohnen, und dann zu schauen, ob diese Gemeinschaft mit diesem neuen Haushalt weiter wachsen kann oder überfordert ist – also die Bedürfnisse der Hausgemeinschaft im Blick und im Gefühl zu haben.
Wir haben öfters bei den Beratungen thematisiert, dass wir nicht die Wohnungsnot von ganz München lösen können. Wir sind nur ein kleiner Baustein; aber es ist mehr, als jeder einzelne von uns alleine schaffen würde, weil wir zusammen neuen Wohnraum und damit Heimat  schaffen! 

Und die Verantwortung wahrzunehmen, die jeweilige Hausgemeinschaft mitzugestalten, also eine Gesamtverantwortung zu übernehmen und das eigene Ego hinten anzustellen. 

Deshalb macht es auch wirklich Sinn, dass nicht der Vorstand alleine entscheidet, sondern dass insbesondere durch die gewählten Hausvertreter verschiedene Perspektiven und Aspekte im Vergabeausschuss zum Tragen kommen.
Habt ihr noch ein passendes Schlusswort?

Grischa: Ja, in Anlehnung an Utas Hinweis: Wir geben unser Bestes, auch wenn wir derzeit  nur 154 Wohnungen haben! Damit können wir nicht die ganze Welt retten, aber einen kleinen Beitrag leisten – das ist ja auch schon viel wert! 

Vielen Dank euch beiden für den sehr lebendigen Einblick – ihr seid mit viel Herzblut und Grips dabei!

Felizitas Mussenbrock-Strauß | Fotos: Photogenika

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