Ein Leben für Gemeinschaft und Engagement

Interview mit Felizitas Mussenbrock-Strauß, Vorständin für Mensch & Soziales

Claas Gudehus, Bewohner im Prinz-Eugen-Parkin einem ehrlichen und persönlichen Gespräch mit unserer Vorständin Felizitas Mussenbrock-Strauß. Zur Sprache kommt ihr Weg zur Progeno, die Herausforderungen bei der Gründung der Genossenschaft und ihre Rolle als neue Vorständin – ein Einblick in ihr engagiertes Leben und ihrem Wunsch, gemeinsam etwas Beständiges und Sinnvolles aufzubauen.

Hi, wer bist du denn?

Ich bin Felizitas, 56 Jahre (ein 68er Kind, wie mein Vater stolz zu sagen pflegte), geboren in Aachen, seit 23 Jahren mit Christoph verheiratet und Mutter von unseren drei Kindern, Jakob (14), Benjamin (19) und Lydia (21). Seit September 2018 wohnen wir hier im Prinz-Eugen-Park, im ersten Projekt der Progeno.
Ich selbst bin in einer großen Familie mit drei jüngeren Geschwistern aufgewachsen – als Älteste verlässt einen das unbewusste Verantwortungsbewusstsein nie ganz. Meine Eltern (mein Vater Architekt, meine Mutter mit Kunst- und Grundschulstudium) waren Zeit ihres Lebens in vielen verschiedenen, im wesentlichen gemeinschaftlich geprägten Zusammenhängen sozial und gesellschaftlich sehr engagiert und involviert. Das hat mich sehr geprägt – mit allem, was dazu gehört.

Wo warst du im Sommer im Urlaub und warum?

Wir waren zum Familienurlaub in der Provence – in wechselnder Formation zu dritt, viert oder fünft. Das ist einfach eine wunderbare Gegend mit viel Kultur, einer wunderschönen Landschaft und einer Menge pittoresker Dörfer, in denen man entspannt flanieren kann. Ein wenig war es auch die  Auffrischung eines Kindheitserlebnisses – ich war mit meinen Eltern und Geschwistern 1978 dort und erinnere mich gut daran, wie wir im Hochsommer durchs flirrende Aix-en-Provence strawanzten.

Wie beschreiben dich andere Menschen um dich herum so?

Offen & neugierig, manchmal auch anstrengend, dann zugewandt, einfühlsam, mitunter sehr unmittelbar und direkt, gleichzeitig verbindend & kooperativ, zuverlässig, ausdauernd bis zäh.

Gibt es etwas, das du schon immer einmal machen wolltest, aber noch nie gemacht hast?

Hmmm…. , da muss ich überlegen – verschiedene Reisen fallen mir da ein, z. B. mal nach London oder nach Skandinavien, auch Südamerika reizt mich.
An extremen Dingen habe ich nicht so eine Freude, also Bungeejumping oder so.

Wofür verschwendest du gerne dein Geld?

Für Bücher, Kulturveranstaltungen (Konzert, Theater, Literatur), Essen gehen, Reisen und auch für Geschenke an liebe Leute.

Was machst du beruflich bzw. was hast du mal gelernt?

Nach einem recht guten Abitur habe ich – im familiären Umfeld als theorielastiger Bücherwurm verschrien – erstmal eine praktische Ausbildung zur Hotelfachfrau gemacht. Schon in dieser ersten Ausbildung habe ich festgestellt, dass ich die Vielfalt in den Tätigkeiten liebe und mir das Organisieren/Koordinieren leicht fällt. Aufgrund einer bereits in der Kindheit ausgebrochenen Hüftgelenkserkrankung musste ich aber mit Mitte 20 umschulen. Da fiel meine Wahl auf das Steuerfach  – zunächst als Steuerfachangestellte, anschließend noch eine Fortbildung zur Steuerfachwirtin, derweil arbeitend in einer Steuerkanzlei. Zwischendrin kamen unsere drei Kinder zur Welt – in der Elternzeit unseres Jüngsten (2010) habe ich dann ein Fernstudium zur Personalreferentin abgeschlossen. Mit Gründung der Progeno – dazu später – habe ich auch noch diverse Weiterbildungen bzw. Schnupperphasen in Themen, wie Mediation, Teamentwicklung, Projektmanagement, systemische Beratung, Facilitation, Kommunikationspsychologie absolviert.
Mein zweites berufliches Standbein habe ich weiterhin im Steuerfach- derzeit im betriebswirtschaftlichem Bereich von Christophs Startup. 

Würdest du deinen jetzigen Beruf wieder wählen oder dich anders entscheiden? Warum?

Aus heutiger Sicht möchte ich tatsächlich keine meiner Aus-und Fortbildungen missen – allerdings kam in mir immer wieder der Wunsch auf, verschiedene interessante Fächer studiert zu haben, angefangen bei Kunstgeschichte, Literatur über Geschichte, Philosophie, Soziologie bis hin zu Wirtschaftspsychologie. Naja, manches mache ich durch eigene Erkundung und Hobbys wett. Für den Rest kann ich mich in der Kulturarbeit des Progeno Park e. V. austoben – in diesem Rahmen habe ich ja in den letzten Jahren vielfältige, gut besuchte Kulturveranstaltungen initiiert und organisiert.

Aha, und wie bist du zur Progeno gekommen?

Ja, das ist eine längere Geschichte. Die Progeno ist ja sozusagen zu uns gekommen, da wir sie mitgegründet haben – vor nun bald zehn Jahren.

Die Gründung einer Genossenschaft ist ja nun wahrlich kein alltäglicher Einfall. Wie seid ihr denn auf so eine ausgefallene Idee gekommen?

Ja, das stimmt, das macht man/frau nicht alle Tage. Die ursprüngliche Idee entsprang einem Kreis befreundeter Familien mit (teilweise) kirchlichem Hintergrund, die über die Stadt München und Umgebung verstreut lebten. Es kamen da zwei Stränge zusammen – zum einen wünschten wir uns die Möglichkeit, uns mehr zu vernetzen, einfach räumlich näher zu sein, um uns spontan und unkompliziert treffen zu können. Zum anderen hat uns die Frage beschäftigt, wie wir langfristig bezahlbaren Wohnraum für uns schaffen können.
Nachdem Christoph im Laufe seines beruflichen Werdegangs die genossenschaftliche Idee im Bereich der Finanzwelt kennen- und schätzen gelernt hatte, lag es nahe, unsere Ideen im Rahmen einer Wohnungsgenossenschaft in die Tat umzusetzen.
So gründeten wir die Progeno am 6. März 2015 mit 12 Gründungsmitgliedern; die eigentlichen Arbeiten haben wir in einem aktiven Kernteam von etwa sechs Personen vorangetrieben – mit dem glücklichen Umstand, dass alle für ein solches Projekt erforderlichen Kompetenzen vorhanden waren. Wir hatten genossenschaftliches Knowhow,  Baufachwissen, Finanz-Expertise und IT-Kenntnis bis hin zum sozialen/kommunikativen Knowhow – alles in verschiedenen Personen vorhanden.

Ich habe mich am Anfang immer gefragt, woher euer Engagement und euer Interesse für die Progeno so herkommt.

Tatsächlich hatten wir beide immer eine Sehnsucht danach, in einem sinnigen gemeinschaftlichen Kontext zu leben, auch für unsere Kinder. Räume zu erstellen, in denen wir zusammen Initiativen starten können, Gestaltungsspielräume zu eröffnen und zu erschaffen für eine möglichst bunte und vielfältige Gruppe an Menschen, die Lust darauf haben, sich je nach Möglichkeit zu beteiligen.
So haben wir in Icking ja z. B. mit einigen Gleichgesinnten ein Dorfkino gegründet.
Unser Impetus war, auf die Kraft der Gemeinschaft zu vertrauen, auch wenn Gemeinschaft (das fängt in der Familie an) immer wieder viel Energie, Zeit und Nerven kostet.

Wie viel Vorarbeit habt Ihr eigentlich leisten müssen, bevor überhaupt das erste Progeno Mitglied, das nicht eurem Familienkreis angehört, beigetreten ist?

Da war tatsächlich einige Vorarbeit notwendig. Ganz am Anfang haben wir aus dem aktiven Kernteam uns einige Samstage und Abende getroffen, um Konzepte zu erstellen, ausführliche Diskussionen zu unseren Werten (über die Frage der Solidarität haben wir z. B. stundenlange Dispute geführt) und zu möglichen Orten unseres Projekts zu führen (die Mehrheit wäre übrigens gern entweder im Süden oder ganz zentral gelandet – Oberföhring war für uns alle ein weißer Fleck auf der Landkarte!), die formalen Voraussetzungen voranzutreiben, Erkundigungen nach konkreten Projekten durchzuführen. Das alles lief erstmal komplett im Ehrenamt. Sobald die Finanzierung hier im ersten Projekt dann einigermaßen gesichert war, war Philipp als Vorstand in Teilzeit und ich als Mitarbeiterin mit Minijob angestellt, haben aber beide weit darüber Stunden geleistet.

Was war dabei der unsicherste bzw. kritischste Schritt?

Wir hatten damals durch die Mitbauzentrale von den geplanten städtischen Quartiersprojekten erfahren. Damit war schon mal klar, dass es grundsätzlich Grundstücke gibt, auf die wir uns bewerben können. Philipp hat glücklicherweise schnell Kontakt zur GIMA eG aufgenommen, über die die Vorgespräche zwischen den Genossenschaften koordiniert wurden. Zu Beginn – das habe ich selber nicht so sehr mitbekommen – war es schon ein Bangen und Hoffen, dass wir alle für die Grundstücksbewerbung erforderlichen Voraussetzungen erfüllen – es musste ja alles sehr rasch gehen, da wir bereits im Juni 2015 (also drei Monate nach der Gründungsversammlung mit 12 Mitgliedern und 12.000 € auf dem Konto) den Zuschlag für das Grundstück im Prinz-Eugen-Park hatten. Außerdem mussten wir auch noch einen Bau-Partner finden, da das Grundstück hier im PEP mit 130 Wohnungen für uns einfach zu groß war. Zum Glück haben wir dann mit der Wagnis eG den idealen Partner gefunden – aber für die war es auch erstmal ein „Wagnis“, sich mit uns einzulassen!
Dann traf uns bereits beim Aushub das Pech, dass wir in der Baugrube ganz viel Lehm vorfanden, der durch eine Menge an Beton ersetzt werden musste – da wurde gleich mal einiges an Budget versenkt.

Baugrubenfest April 2017, Grundstücks-Picknick Oktober 2016, Baugruppenabend Oktober 2016


Eine etwas aufregende Phase ergab sich dann noch vor Bezug, als kurz vor knapp noch vier Haushalte aus verschiedenen Gründen abgesprungen sind und wir sehr rasch passenden Ersatz suchen mussten. Aber das ging mit den Familien Glaser, Renauer und Krahl/Blomgren ja super gut aus!

Gab‘s auch Probleme oder Schwierigkeiten auf eurem Weg nach der Gründung?

Ja klar, es war eine sehr intensive Zeit. Im Kernteam waren wir sehr ausgeprägte Persönlichkeiten mit verschiedenen Kompetenzen, Perspektiven, Prägungen, Biographien – im Idealfall eine super Ergänzung, manchmal auch sehr fordernd und anstrengend; es waren so einige Pow-Wows mit etlichen Flaschen Rotwein fällig, damit wir immer wieder zusammenkamen.
Es ging um sehr viel Geld, das uns die Leute anvertraut haben, ohne dass wir bereits eine Referenz vorweisen konnten; es war für uns alle das erste Projekt dieser Art, wir Gründer kannten uns zwar größtenteils bereits lange, aber solche eine Belastungsprobe hatten wir noch nicht durchlebt.

Richtfest im Oktober 2017 im Prinz-Eugen-Park

Beschreib mal dein Gefühl bei der Gründung, beim Richtfest oder erst beim Einzug?

Das Richtfest war schon sehr bewegend – da steht man/frau dann plötzlich im Kreis von vielen glücklichen Leuten, die einem erst seit drei, zwei Jahren bekannt sind, in einem Hof zwischen so schnell empor gewachsenen Bauten und freut sich gemeinsam auf das baldige Zusammenwohnen, das so noch keiner praktiziert hat. Wir selber hatten ja noch nie gebaut – ein überragendes Erlebnis!
Ich erinnere mich, dass ich in der ersten Zeit nach dem Einzug abends immer wieder gern auf unsere Loggia (im 1. Stock über dem Gemeinschaftsraum) ging, bewegt unseren Hof und die schönen Häuser betrachtete und staunte, was aus dieser Idee geworden war.

Was ist deine schönste Erinnerung dieser Zeit mit Progeno?

Dazu fällt mir das erste Progeno-Sommerfest in unserem großen Garten in unserer alten Heimat in Icking ein – auf der Wiese verstreut in kleinen Gruppen, viele Kinder groß & klein, alle hatten Gaben für’s Buffet und den Grill mitgebracht, die Pläne der Wohnungen hingen an unserem Wohnzimmerwand und wurden eifrig diskutiert und kommentiert – eine bunte, friedliche Feiergesellschaft in gemeinsamer gespannter Vorfreude!

Sommfest im Juni 2017 im Garten Mussenbrock in Icking


Wie ging es dann weiter mit deiner Laufbahn bei Progeno?

Im ersten Projekt war ich auf Minijob-Basis im Wesentlichen für den Erstkontakt und die Mitgliederaufnahme zuständig; dann noch für besondere Events und für die Arbeit in einigen Arbeitskreisen. Nach unserem Umzug mit dem für die Kinder erforderlichen Schulwechsel und dem Aufbau einer komplett neuen “Infrastruktur” für Hobbys, Ärzte ..  habe ich erstmal eine Pause eingelegt, in der ich ehrenamtlich unseren Progeno Park aufgebaut und entwickelt habe.  Mitte 2019 bin ich dann mit steigender Stundenzahl zum einen in das Projekt in Freiham eingestiegen. Schwerpunkt war der Aufbau der dortigen Selbstverwaltung und das Onboarding von verschiedenen Haushalten. Zum anderen habe ich progeno-weite Aufgaben im Bereich der Vernetzung und Partizipation (Magazin), der Organisation von Großevents und Öffentlichkeitsarbeit übernommen.

Und der aktuellste Schritt war dein Einstieg als Vorstand bei der Progeno. Sozusagen als konsequente Fortführung deiner Progeno-Laufbahn und deines Engagements?

Naja, als die Stelle für den Vorstand “Mensch & Soziales” ausgeschrieben wurde, war für mich nach einiger Bedenkzeit klar, dass das der nächste schlüssige Schritt ist – für mich und die Progeno. Nach acht intensiven Projektjahren mit vielen Erfahrungen und Erkenntnissen, einigen Auf und Ab’s und umfangreichen Learnings dachte ich mir: Das ist mein Ding!

Warum braucht die Progeno überhaupt einen Vorstand für “Mensch & Soziales”? Hat doch bisher auch ganz gut ohne funktioniert, oder nicht?

Ja, kann man so sehen; allerdings hat der Aufsichtsrat offensichtlich die Notwendigkeit verspürt, dass dieser Aspekt unserer Progeno-Kultur – die Wichtigkeit der sog. sozialen Architektur – adäquat vertreten und präsentiert sein muss und zwar gleichwertig mit dem Bereich des Neubaus und der Finanzen.

www.photoqenika.de

Was sind denn die Aufgaben für den Vorstand für “Mensch & Soziales”?

Zu meinen bisherigen Tätigkeiten kommen zunehmend Aufgaben im Bereich der Öffentlichkeits- und Vernetzungsarbeit hinzu – im Kontakt mit den Vorständen anderer Genossenschaften, mit der Politik, mit Playern in der Geno-Szene. In der Rolle als Vorstand ist das einfach anders möglich. Aktuell liegt mein operativer Schwerpunkt auf dem Aufbau, der Begleitung und Unterstützung der Neufreimanner Baugruppe und deren Arbeitskreisen – das macht großen Spaß, da ich hier Vieles an ‚best and worst practices‘ aus beiden Bestandsprojekten einfließen lassen kann. 

Was sind die Pläne für deine Tätigkeit als Vorstand für Mensch und sein Pläsier?

Ideen und Pläne für die Zukunft habe ich einige – zum einen Formate zur Vernetzung zwischen den Projekten und auch mit den nicht wohnenden Mitgliedern auszuarbeiten, zum anderen Strategien  zu entwickeln, um unseren Progeno-Charakter weiter zu etablieren. Aus dem neuen Projekt Neufreimann gibt es dazu einige wertvolle Impulse, die ich im nächsten Jahr weiterbringen möchte.
Ein weiteres Anliegen liegt in der besseren Kommunikation an die Mitglieder zu wichtigen Vorgängen und Entwicklungen in der Genossenschaft – etwas mehr Transparenz kann hier und da nicht schaden.
Insgesamt sind mein Gefühl und meine Einschätzung, dass es in unseren Progeno-Mauern und Herzen & Hirnen noch viel ungehobenes Potential zu entdecken gilt!

Claas Gudehus | Foto: Tina Rieger-Gudehus, Antony Groß, Christoph Mussenbrock

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