Interview mit Claudia Redai und Elmar Kretzer über die AG Müllhäuschen im Prinz-Eugen-Park
Claudia und Elmar schildern ihre praktischen Erfahrungen; dabei stellen sie fest, dass das Thema „Müll“ rasch die lokale Perspektive zur gobalen Dimension aufweitet – verewigt im Müll-ABC.
Guten Abend! Euch darf ich als Vertreter der Arbeitsgruppe Müllhäuschen aus dem Prinz Eugen Park begrüßen. Könnt ihr euch erst ganz kurz vorstellen – ladies first!
Claudia: Ich bin Claudia Redai und wohne hier seit Beginn, also seit September 2018 mit meinem Mann und mit meinem Sohn; die Frage zum Beruflichen ist nicht so einfach zu beantworten, denn ich bin Musikerin, Kosmetikerin und im medizinischen Bereich als Medizinische Fachangestellte tätig.
Elmar: Ich bin Elmar Kretzer, auch seit 2018 hier wohnend, mit Inga und unserem Sohn Thies. Zum beruflichen Hintergrund sage ich mal ganz einfach – ich bin viel in der IT unterwegs.
Eure Arbeitsgruppe gibt es ja seit Anfang. Seid wann seid ihr beide dabei?
Claudia: Ich bin erst später von einer anderen Gruppe reingewechselt und wurde dann später auf Anfrage Ansprechpartnerin.
Elmar: Beim AK Selbstverwaltung haben wir ja vor dem Einzug die Gruppe zusammengestellt; es kursierte unter uns der Dauerwitz , dass ins Müllhäuschen sowieso keiner rein will. Ich vermutete, dass die Liste für diese Arbeitsgrupppe bestimmt lange lange Zeit leer bleiben wird. Ich habe sofort gesagt, ich mache das! Und habe mich als erster eingetragen!
Super! Diese Liste hat sich dann ja bald gefüllt. Wie organisiert ihr euch ganz praktisch?
Claudia: In unserer Gruppe sind 10 Leute. Die Orga läuft inzwischen ganz unkompliziert und einfach: Ich erstelle regelmäßig diese Liste, die im Müllhäuschen hängt. In ihr sind die Kalenderwochen und die Namen enthalten. Anfänglich war die Liste nicht ganz ausgewogen, was die Reinigung der Biotonne anging. Denn dafür müssen sie ja leer sein, was alle zwei Wochen passiert. Ich habe dann überlegt und überlegt, wie wir das gerecht und fair verteilen, damit in regelmäßigem Wechsel jeder mal mit der Reinigung dran kommt und es nicht immer die gleichen trifft. Nach stundenlangem Herumprobieren hatte ich es raus, dass nun jeder in wirklich humanen Abständen von 16 Wochen drankommt – also dreimal im Jahr. Die Erstellung der jeweils neuen Liste ist ansonsten in zehn Minuten getan. Denn die anderen Arbeiten gehen einfach nach Kalender.

Das war so die generelle Angst vor dem Thema Biotonne, wenn jemand in eure Mülltonnengruppe gewechselt ist. Das habe ich auch an der zögerlichen Listen-Eintragung der Freihamer bemerkt. Dabei ist es so wichtig, dass diese Gruppe von Anfang an funktioniert, diesen Raum im Blick hat, d. h. gleich reagieren und entsprechend adressieren kann, wenn z. B. Umzugskartons in die Tonnen gestopft werden. Es ist gut, dass euer Plan für alle zugänglich im Müllhäuschen hängt. Da kann jeder sehen, wer dran ist und wann welche Leerung ansteht. Könnt ihr denn in dem Zusammenhang noch etwas die Grundordnung beschreiben?
Elmar: Jede Woche ist eine/r an der Reihe. Das ist zu tun: Erstmal den Raum kontrollieren, dann nach den Papiertonnen schauen, Überstehendes reinstopfen, aufsammeln, was auf dem Boden liegt, und die Tonnen zum Fegen auf die Seite schieben, den Boden auch spritzen und die Tonnen äußerlich abwischen, wenn sie etwas verklebt sind. Das dauert je nach dem ca. eine Dreiviertelstunde.
Claudia: Es ist ganz gut, wenn man jeden oder jeden zweiten Tag mal reinschaut, ob alles in Ordnung ist. Das mache ich z. B. auch, wenn ich selber meinen Müll wegbringe. Eine Ausnahme ist die Biotonne – das Ausspritzen muss man gleich nach der Leerung machen. Deshalb muss man sich ein bisschen die Logistik rund um die Biotonnen überlegen. Es sollte eine nach der anderen befüllt werden, also erst wird die eine Tonne am Eingang befüllt und dann mit der 2. Tonne gewechselt, die zunächst hinten steht.
Habe noch ein paar andere Fragen auf Lager: Was wünscht ihr euch von den Bewohnern? Was läuft gut, was weniger gut?
Elmar: Da fällt mir erstmal das Verschenk-Regal ein, das wir ja im Müllhäuschen stehen haben – das muss auch im Blick behalten werden. Ab und zu muss Oksana Scholz eine Email an alle raushauen, weil irgendwelche Sachen da entweder ewig stehen oder einfach echt Müll sind. Man wundert sich Manchmal, was da alles landet.

Ja, an manches muss einfach immer wieder erinnert werden. Bei gemeinschaftlich genutzten Sachen und Räumen ist das so: Erinnern, mahnen, geduldig sein, großzügig sein, dann wieder ermahnen. Das wird so ein Mix bleiben.
Claudia: Wünschenswert wäre es, wenn alle so handeln würden, wie sie es auch bei sich zu Hause haben wollen. Das passiert eben nicht immer und deswegen muss man hier und da nachhelfen. Im Großen und Ganzen ist es eine super Idee, das Regal dort zu haben. Auf Dauer gibt es vielleicht einen besseren Ort, mit mehr Atmosphäre, an dem man auch gerne mal 10 Minuten verweilt. Mir persönlich fehlt vor allem die Wertschätzung für die Bücher.
Wünschenswert wäre es, wenn alle so handeln würden, wie sie es auch bei sich zu Hause haben wollen.
Ah, du leidest mit den Büchern?! Ich finde es irgendwie nett, dass es dort im Müllhäuschen steht, denn mindestens einmal wöchentlich ist jeder mal dort. Wenn ihr auf Dauer eine bessere Idee habt, gerne.
Claudia: Ich war letzte Woche beim Aufräumen und Ausmisten in meinem Keller, da hat sich wirklich fürchterlich viel Zeug angesammelt. Es wäre eigentlich schön, wenn man nicht nur dieses Verschenkregal hätte, sondern auch ein Tauschregal, Spielzeuge, Bücher und anderes. Das ist ressourcen-schonend: Tauschen statt wegwerfen. Sozial denken!
Das müssen wir vielleicht nochmal weiter ausbauen, oder? Dass geht ja auch in die Richtung, die Oksana betreibt mit Circular Society https://magazin-neu.progeno.de/wp-admin/post.php?post=5187&action=edit Die Frage ist, ob wir irgendwo noch Räumlichkeiten oder Möglichkeiten haben, sowas weiter zu etablieren, vielleicht im schönen Garderobenregal im Gemeinschaftsraum.
Wir waren bei der Frage: Was läuft gut? Was läuft weniger gut?
Claudia: Ich würde sagen, die Mülltrennung läuft aus meiner Sicht nicht gut. Ich traue mich gar nicht, in die Restmülltonne reinzuschauen. Denn ich sehe Dinge, die ich nicht sehen will: Alles voll mit Kunststoff!
Das ist einfach eine Bequemlichkeit, oder? Ich selber muss gestehen, dass ich erst wirklich alles Plastik trenne, seitdem kommuniziert wurde, dass wir uns eine Restmülltonne sparen können, wenn das wirklich alle konsequent machen. Das hat mich überzeugt!
Manche meinen, dass die nicht zusammen-gefalteten Kartons von allein in sich zusammenfallen – Ein Tipp: Das passiert nicht von alleine?!
Elmar: Was ich total spannend finde, ist die Papiertonne. Manche meinen, dass die nicht zusammen-gefalteten Kartons von allein in sich zusammenfallen – Ein Tipp: Das passiert nicht von alleine?! vielleicht ist sogar ein mitgenommenes Messerchen hilfreich.
Ah ok, manches läuft nicht so toll. Aber könnt ihr auch sagen, was gut läuft? Ein kleines Lob vielleicht?
Claudia: Ja, unser Team läuft gut!
Das liegt an deiner guten Organisation!
Claudia: Nein, das liegt nicht an meiner Organisation, sondern an den Menschen, die in der Gruppe sind, also unser Team!
Das kann ich nur bestätigen. Unser Müllraum ist einfach wirklich sehr gut in Schuss. Dass muss an dieser Stell mal gesagt werden – ein volles Lob an euch und euer Team! Wenn ich manchmal die überquellenden Tonnen im Quartier sehe, dann graut es mich. Auch eine gewisse Erziehung der Bewohnerschaft ist bemerkbar. Was würdet ihr zur Verbesserung vorschlagen?
Claudia: Ein Tausch wäre gut, also eine Art Programm, bei dem sozusagen jeder Bewohner, jede Bewohnerin, der bzw. die nicht schon mal in der Gruppe war, eine Woche Dienst in dieser Gruppe macht.
Eine gute Idee! So eine Art Schnupperwoche; denn ich denke, dass viele Leute – ich unterstelle niemandem was Böses – meistens einfach nicht nachdenken, was es mit dem Müllhäuschen auf sich hat. Wenn man selber mal diese Arbeit von euch macht, schafft das ein anderes Bewusstsein. Ich habe es selber zu Beginn beim Gemeinschaftsraum erlebt: Jemand war im Putzteam eingesprungen und hatte dann gleich Verbesserungsvorschläge angebracht (in dem Fall Schuhe ausziehen), da er erst dann bemerkt hatte, dass sich da ganz schön viel Dreck sammelt auf dem Boden. Deine Idee mit diesem Austauschprogramm ist eine vermutlich notwendige pädagogische Maßnahme. Das sollten wir mal mit dem AK Selbstverwaltung besprechen.
Claudia: Es wäre eine Art Experiment: Wir haben 48 Wohnungen, also ca. 70 Erwachsene. Wir könnten alphabetisch beginnen. Müll geht jeden an, da alle Müll produzieren. Beim Müll wird das Verhalten der Leute besonders sichtbar. Es geht um Disziplin (nicht zu bequem zu sein), um die Einstellung und auch um eine gewisse Verantwortung. Ich habe hier einen kurzen, eher philosophischen Text, den ich eben noch geschrieben habe. Es geht mir nicht um einen erhobenen Zeigefinger oder zu sagen, der und der ist schuld, sondern einfach darum, die Menschen etwas wachrütteln; eine falsche Lebenseinstellung hat Folgen für uns alle!
Mein Müll-ABC
Womit fangen wir am besten an?
Abfall vermeiden
Bewusst einkaufen
Clever planen
Was mich aufregt:
Desinteresse
Egoismus
Faulheit
Was können wir tun?
Global denken – unser Müll, unser Land, unser Problem? Weit gefehlt.
Handeln bevor es zu spät wird
Initiative ergreifen
Wer ist gemeint?
Jeder einzelner Mensch, Kinder mit einbezogen.
Worum geht es eigentlich?
Um unser Leben, das ein immer fortschreitender Prozess ist, das wir, Menschen formen und
gestalten. Hoffentlich zum Wohl unseres Universums.
Was machen wir falsch?
Wir greifen in die Natur ein. Kleinste Lebewesen, Organismen – die wiederum auf der
untersten Stufe der Nahrungskette stehen – verenden und verschwinden aufgrund der
globalen Erderwärmung. Produzieren viel zu viel. Mehr als wir es benötigen. Dabei wird
leider mehr Wert auf Quantität – gepaart mit schlechter Qualität – gesetzt.
Gibt es noch Hoffnung? Gibt es Alternativen?
Ja, wenn wir
Ressourcen schonen
Sozial denken
Tauschen statt wegwerfen
Umweltbewusstsein entwickeln
Verantwortung übernehmen!
Wenn das alles nicht hilft?
Dann können wir nur erhoffen dass wir das Weltall in „kürzester Zeit“ so weit es geht
erforschen und irgendwo, irgendwann vielleicht ein neues Zuhause finden und aufbauen
können.
Sehr gut!! Sehr anschaulich und prägnant formuliert!
Euer Anliegen ist es, das Bewusstsein für die Folgen unserer Lebensweise zu schärfen. Das Thema Müll scheint sehr banal (es gehört zum Menschen einfach dazu), aber zum anderen ist es gar nicht banal, da es viel an Haltung und Verhalten aufzeigt. Spannend ist nun, dass wir im Rahmen unserer Selbstverwaltung andere Möglichkeiten haben mit diesem Phänomen umzugehen als in einem anonymen Mieter Wohnblock. Dort gibt es vermutlich einen Hausmeister, der wahrscheinlich wiederholt wütende Emails schreibt, die die
Bewohnter nerven und letztlich irgendwann frustriert aufgibt. Das ist für alle Beteiligten unerfreulich! Deshalb ist es gut, wenn ihr eure Gedanken, Anliegen lautstark äußert, damit wir zusammen etwas verbessern können. Wir erleben alle, dass die Menschen sehr verschieden sind, so auch verschieden diszipliniert, verschieden reflektiert. Wir sind hier ein bunter Haufen, jeder mit eigenen Themen und eigenem Fokus. Manche tun viel und reden wenig, manche reden vor allem viel und tun nicht so viel – die ganze Bandbreite unserer Gesellschaft. Es ist doch schon mal ein Erfolg, wenn wir uns eine Restmülltonne sparen, es im Müllhäuschen nicht stinkt und dreckig ist, weil ihr es sauber und geordnet haltet. Und ihr beide auf jeden Fall in dieser Gruppe bleiben wollt. Das ist definitiv positiv hervorzuheben! Natürlich ist immer wieder Geduld und eine Portion Großzügigkeit von euch gefragt. Es gibt selten einen idealen Zustand, der lange anhält, also immer wieder erinnern und ermahnen. Das Leben ist so!
Es ist doch schon mal ein Erfolg, wenn wir uns eine Restmülltonne sparen, es im Müllhäuschen nicht stinkt und dreckig ist, weil ihr es sauber und geordnet haltet. Und ihr beide auf jeden Fall in dieser Gruppe bleiben wollt.
Elmar: Es ist wichtig, neben diesem Alltäglichen die globale Perspektive aufzuzeigen. Ich könnte sagen: Hey, unser Müll, unser Land, unser Problem, nein, das landet irgendwo in Afrika oder in ost-europäischen Ländern. Müll ist banal, aber eben auch global! Unser Müllhäuschen ist wie ein Spiegel. Wir können da etwas mitgestalten und entwickeln. Und dann ist das Schöne am Müllhäuschen, dass es irgendwie so ein schöner, abgeschlossener Bereich ist. Du siehst halt danach schon was, was du gemacht hast. Das Müllhäuschen ist unsere Visitenkarte, wie z. B. die Toiletten in Restaurants.

Welche konkreten Ideen habt ihr denn, die Leute hier mehr wachzurütteln, ihr Bewusstsein zu schärfen?
Claudia: Ja, gute Frage. Vielleicht können wir das etwas humorvoll gestalten, also mit Sprüchen, Aufklebern oder auch mit Fotos, die die schlimmen Folgen darstellen. Einfach an die freie Wand etwas hinpinnen. Wir sollten mal mit unserer Gruppe sprechen.
Ja, ihr habt ja kreative und engagierte Leute in eurer Gruppe; ihr könnt euch ja mal alle im Gemeinschaftsraum zu einem Brainstorming treffen: Mit welchen Tricks und Tipps bekommen wir in der Bewohnerschaft mehr Bewusstsein für dieses Thema? Ein Plakat wäre auch eine Idee.
Elmar: Ja, da gibt es drastische Darstellungen, wie unsere Meere aussehen, welche Krankheiten bei den Tieren auftreten durch die Vermüllung. Oder auch wie Kinder auf Mülldeponien elende Arbeit verrichten müssen. Da müssten wir tatsächlich mal eine Gruppen-Email schreiben und sehen, dass wir den Ball ins Rollen bekommen.
Claudia: Ja, ich habe auch viele Ideen zum Recyclen von Kleidung und sonstigen Dingen. Vielleicht entstehen sogar Kunstwerke aus Müll? Ich bin sehr gespannt, was wir aus der Gruppe heraus entwickeln können.
Und hier noch ein pfiffiger Hinweis: Das AWM-Muellmärchen!
Als letzte Frage: Welchen Tipp könnte den Freihamern mitgeben? Zwei, drei knackige Sätze, auch ein bisschen Motivation!
Elmar: Ganz klar: Keine Angst vor der Biotonne! Das Ausspritzen ist super lustig, es macht echt Spaß! Man sieht einfach, was man gemacht hat.
Claudia: Dranbleiben. Überlegen. Handeln.
Ganz herzlichen Dank, Ihr Zwei, für eure Zeit, eure kritischen Hinweise und kreativen Ideen!

Liebe Claudia, lieber Elmar,
Die lebendig-optimistische und gleichzeitig ernst-positive Art und Weise, wie ihr über Müllhäuschen berichtet steckt an!!! Und sehr gute Tipps und Ideen!
Ich würde sofort mitmachen, wenn ich nicht schon im Team Müllhäuschen wäre…;)
Danke euch!
Und das ABC sollen wir im Müllhäuschen aufhängen!
Liebe Oksana, vielen Dank für deine Worte! Es freut mich dass dir der Artikel gefallen hat und dich unsere Gedanken „berührt“ haben. Danke, dass du bei uns im Müllhäuschen Team mitmachst! Das gilt natürlich für alle in dieser Gruppe! Wir können unsere Ideen, Vorstellungen, Wünsche etc. gerne weiterentwickeln und zusammen besprechen. Lass uns schauen ob aus dem ABC ein Lied entsteht… Ich freue mich!